Computerprogramme in MAD und Fix und Foxi

Neben Datenträgern (Disketten, Module, Kassetten, CDs, etc.) waren gedruckte Programme in Zeitschriften eine häufig genutzte, wenn auch aufwändige, Quelle für neue Spiele und andere Programme in den 1980er und frühen 1990er Jahren. Für aufwändigere Programme mussten stunden- oder manchmal sogar tagelang sogenannte Listings abgetippt werden.

von Simon Quernhorst

Anfangs noch ohne Eingabehilfen und deren Prüfsummenberechnung war es immer auch ein Glücksspiel, ob die abgetippten Programme dann überhaupt korrekt liefen. Und auch die Setzer in den Verlagen hatten oft genug Probleme mit den Programmen, so dass manche gedruckten Programme schon vom Verlagshaus aus nicht funktionieren konnten. Bekannt waren derartige Listings vor allem für Computermagazine, bei uns z. B. 64’er, Happy Computer, RUN, Homecomputer, Computronic, etc. Allerdings gab es auch andere Publikationen, die Programme abgedruckt haben…

Im Jahr 1988 veröffentlichte das deutsche Magazin „Fix und Foxi“ aus dem Erich Pabel Verlag einen mehrteiligen BASIC-Kurs für den Commodore 64. In Ausgabe 16/1988 erschien zusätzlich auch „Das kürzeste BASIC-Spiel“: in acht Zeilen wurde ein kleines Reaktionsspiel realisiert. Interessanterweise wurde im Listing der Befehl „PRINT“ durch das „?“ abgekürzt, obwohl im darüberstehenden BASIC-Kurs auf derselben Seite stets „PRINT“ verwendet wird.

Schnell abgetippt: das F&F-Spiel.

Noch kurioser – und technisch wirklich beachtenswert – ist das „The MAD Computer Program“. Es erschien im Oktober 1985 auf vier Seiten der amerikanischen Ausgabe 258 des Magazins MAD. Das BASIC-Programm erschien für Apple-, Atari-, Commodore- und IBM-Computer. Dazu wurden systemspezifische Programmzeilen sowie ein gemeinsamer Daten-Teil (ab Zeile 500) verwendet, welcher auf einer Doppelseite den Großteil des Programms ausmachte. Als Designer und Programmierer des amerikanischen Beitrags werden „Lauretta Jones and Toma“ genannt. Lauretta Jones ist eine Grafikdesignerin aus New York. In der BBC-Sendung „Micro Live“ von 1984 wird ein Interview mit ihr geführt, bereits zu diesem Zeitpunkt arbeitet sie mit einem Grafiktablett an einem Apple-Computer und spricht von ihrer Tätigkeit für verschiedene Magazine. Insofern kann man davon ausgehen, dass sie auch die Grafik für das MAD-Programm auf diese Weise gestaltet hat. Bei den bisherigen Arbeiten auf ihrer Website (www.laurettajones.com) hat sie auf eine Erwähnung des damaligen MAD-Programms verzichtet. In Deutschland erschien der übersetzte MAD-Artikel, ebenfalls auf vier Seiten und mit den identischen Cartoons am Rand, im Mai 1986 in MAD-Magazin 205. Hier wird zusätzlich zu den beiden vorgenannten Autoren auch noch „Thorsten Marsen“ genannt. Eine deutsche Wiederveröffentlichung fand etwas später in „MAD EXTRA Nr. 42“ statt. Das MAD-Programm erschien auch in anderen Ländern, so z. B. noch im Jahr 1991 im brasilianischen Heft „MAD Especial 10: Desinformatica“.

Listings strikt alphabetisch: Apple, Atari, Commodore…
…vor IBM und den gemeinsamen DATAs.

Während die Apple-, Atari- und IBM-Programme sehr kurz ausfallen, ist das Commodore-Listing mit Abstand das längste und komplizierteste. Ursache ist, dass dem C64-BASIC Befehle für grafische Funktionen fehlen. Während die anderen drei Listings die vielen DATA-Werte einfach per PLOT-, HPLOT- oder LINE-Kommando zeichnen können, wird beim C64 die gesamte Berechnungslogik samt Zeichenroutine für die einzelnen Grafiklinien benötigt. Alle vier Programme zeichnen Linien auf den Monitor, die nach und nach das MAD-Logo sowie das Gesicht des MAD-Maskottchens Alfred E. Neumann (im US-Original übrigens Alfred E. Neuman) ergeben – ohne jegliche Interaktionsmöglichkeit.

Die Apple-, Atari- und IBM-Programme wurden für das deutsche Heft nahezu identisch vom US-Magazin übernommen, lediglich die kleinen Textausgaben „What, me worry?“ wurden durch „Alfred E. Hacker“ ersetzt und die Copyrightzeile (Apple Zeile 190, Atari Zeile 140, IBM Zeile 120) weggelassen. Das Commodore-Programm stellt sich jedoch vollkommen anders dar. Das US-Grundgerüst und die Berechnungen wurden zwar als Vorlage genommen, aber in der deutschen Version wurden komplett andere Variablennamen verwendet, die Farben geändert, der DATA-Bereich der Grafikausgabe „What, me worry?“ musste ebenfalls durch eine andere Grafik ersetzt werden (Zeilen 1800 bis 1900). Der Programmierer der deutschen Version hat außerdem versucht, durch die Verwendung von Doppelpunkten am Zeilenanfang Einrückungen zur Strukturierung vorzunehmen. Markantester Unterschied ist jedoch, dass nur im deutschen Programm eine Subroutine in Maschinensprache enthalten ist. Diese liegt in den zusätzlichen DATA-Zeilen 400 bis 430 und wird im Speicher ab Adresse 704 abgelegt. Der SYS-Befehl in Zeile 120 ruft diese Routine zum schnelleren Initialisieren des Grafikscreens auf. Aufgrund der ganzen Programmänderungen erscheint die produzierte Grafik durch leicht veränderte Linienausführung etwas anders auf dem Bildschirm, obwohl die identischen DATA-Werte verwendet werden.

Ungleiche Brüder: das US- Commodore-Listing

Leider erschienen beide C64-Listings nicht fehlerfrei. In der US-Version wurde am Ende von Zeile 80 ein „-“ gedruckt, obwohl ein „+“ benötigt wird. Dieser kleine Unterschied genügt allerdings bereits, um das Programm vollkommen scheitern zu lassen. Und auch die Layouter der deutschen Version waren nicht an das Setzen von Programmen gewöhnt, so trägt die erste Zeile die unsinnige Nummer „05“. Kritischer ist jedoch, dass das Ende von Zeile 107 einfach an das Ende von Zeile 115 umgebrochen wurde und somit beide Zeilen nicht mehr funktionieren können. Außerdem fehlen in der Mitte der Zeile 310 mehrere Zeichen, so dass das Programm hier ebenfalls mit einem Syntax Error abbricht. Hier wird das Potenzen-Symbol benötigt, welches vielleicht den deutschen Schriftsetzern nicht zur Verfügung stand. In der amerikanischen Fassung wird in Zeile 220 ein Potenzen-Zeichen abgebildet, welches es so nicht auf dem C64 gibt, denn hier wird dafür der Pfeil nach oben verwendet. In dem amerikanischen Apple-Programm (nicht jedoch in dessen deutschen Pendant) gab es auch zwei ungültige Zeilenumbrüche, diese waren zwar recht gut als solche zu erkennen, werden aber vermutlich trotzdem bei unerfahrenen Anwendern zu Problemen geführt haben. Das Abtippen der Programme, vor allem der C64-Version, wird also auf beiden Seiten des Atlantiks zu Frust geführt haben… Vielleicht hat jedoch auch kein Leser dem MAD-Magazin zugetraut, dass überhaupt etwas Vernünftiges bei dem Programm herauskommen würde.

Womit wir beim Stichwort Frust auch noch zur Ausführungsgeschwindigkeit kommen.  Denn während z. B. das Apple-Programm in 40 Sekunden durchgelaufen ist, erwähnt das US-Magazin schon vorweg am Seitenrand, dass die Ausführung des Commodore-Programms satte 20 Minuten benötigen würde. Hier wird auch vorweggenommen, dass das Programm lediglich eine Grafik anzeigen wird. Durch die beschriebenen Änderungen in der deutschen Version, steht an dessen Seitenrand, dass „bis zu 10 Minuten“ gebraucht würden. Tatsächlich benötigt die US-Version 16 Minuten und 10 Sekunden (NTSC) und die deutsche Version 10 Minuten und 20 Sekunden (PAL). Auf Diskette belegt das US-Programm 37 Blocks und dessen deutscher Abkömmling 38 Blocks. Leider kann sich der deutsche Co-Autor Thorsten Marsen nicht mehr an seine damalige Tätigkeit erinnern, er antwortete unserer Redaktion: „In der Tat, da war irgendwas. Aber, und das sehen Sie mir bitte nach, ich habe keine Ahnung mehr, um was es genau sich dabei handelte ;-)“.

Das C64-Ergebnis der US-Version …
… und das deutsche Pendant.

Als komisches Detail am Rand, wird auf der letzten Seite des deutschen Artikels die Zeitschrift „Happy Computer“ als Klolektüre dargestellt. Und witzig ist auch, dass das amerikanische Heft die Leser noch aufforderte, einen Programmausdruck an „MAD Hackers Department, 485 MADison Avenue, New York NY 10022“ zu senden. Zum damaligen Zeitpunkt war die „Madison Avenue“ tatsächlich der Sitz der Redaktion.

Kenne dein Limit!

Review: Gold Quest VI – Im Bann der sieben Drachen (C64)

Der vor Kurzem erschienene sechste Teil der Gold-Quest-Reihe für den Commodore 64 ist eine echte Überraschung: Statt eines weiteren SEUCK-Spiels erwartet uns ein waschechter Dungeon Crawler.

von Georg Fuchs

Gold Quest ist eine Reihe von Action-Adventures für den C64, die allesamt mit dem berühmt-berüchtigten Shoot’em Up Construction Kit, kurz SEUCK, erstellt wurden. Die Veröffentlichung erfolgte in den Jahren von 2005 bis 2013. Hinter den Spielen steht ein Team rund um Thorsten Schreck alias Sledgie, der auch als Betreiber des C64-Wiki bekannt ist. Beinahe ein Jahrzehnt nach dem letzten Teil wurde die Serie wiederbelebt. Der 2022 erschienene sechste Teil Gold Quest VI – Im Bann der sieben Drachen kann als echte Überraschung betrachtet werden: Statt eines weiteren SEUCK-Spiels erwartet uns ein echter 3D-Dungeon Crawler in feinster PETSCII-Optik.

Die Veröffentlichung erfolgte am 11. März 2022 auf Digital Talk #111. Auf der Coverdisk von Zzap!64 erschien am 2. April eine leicht erweiterte Version (1.1). Zuletzt wurde eine Extended Version (1.2) nachgelegt, die nicht nur neue NPCs enthält, sondern auch einen leichteren Einstieg verspricht und zwölf äußerst vielversprechende Spezialaufträge enthält. Das Spiel ist komplett mit dem Joystick spielbar.

Parental Advisory

Die Extended Version gibt es in toller Aufmachung in Wallet-Hülle mit schön gestaltetem, wirklich hilfreichem Handbuch, einer Tabelle für Zaubersprüche und zwei Disketten: eine im Standard-1541-Format und eine 3,5“-Disk für Besitzer eines 1581-Laufwerks. Stolz listet die Verpackung die Inhalte des Spiels in Form eines Warnhinweises auf: „Violence, Drugs, Fear, Gambling, Bad Language“. Wer kann da noch widerstehen?

Die Idee für das Spiel stammt von Sledgie, außer ihm waren an der Umsetzung des in deutscher und englischer Sprache vorliegenden Spiels RetroLynx, Daimansion, 1570, Telespielator und Jammet beteiligt, die Musik steuerte Richard Bayliss bei. Weitere Aktive waren alke01, Shmendric und CaptFuture1975, der die Modulversion erstellt hat.

Küss die Hand, Herr Kerkermeister!

Gold Quest VI führt den Spieler in der Gestalt eines Zwerges mit einem bis unter den Bauchnabel reichenden Bart tief in ein Bergwerk, um den legendären Zwergenhelden Sledgie aus den Klauen von Orks zu befreien, die ihn gefangen genommen haben. Dieser wollte das Bergwerk für das Zwergenvolk zurückerobern, nachdem sich dort Scharen von vielen freundlichen, meist allerdings noch mehr feindseligen bis tödlichen Kreaturen häuslich eingerichtet haben. All den Gnomen, Kobolden, Wichteln, Feen, Orks, Trollen, Zombies und Drachen begegnen wir auf unserem Weg in die immer tieferen Bereiche des Bergwerks – so steht es im Handbuch geschrieben, somit kennen wir unseren Auftrag. Um das Spiel erfolgreich abzuschließen, muss der gefürchtete Orkschamane Fulgore besiegt werden, um den Fluch aufzuheben, der Sledgie im Bergwerk festhält. Wer weniger ambitioniert ist, kann einfach um einen Platz in der Highscore-Tabelle spielen.

Neben den vielen Charakteren gibt es jede Menge wichtige Gegenstände wie Gold (darum dreht sich alles), Geröll und Lava, Teleporter, Fallen, eine Vielzahl von alkoholischen Getränken unterschiedlicher Qualität und viele weitere Objekte, die zur Erfüllung der Spezialaufträge (Missionen) unverzichtbar sind. Selbstverständlich gibt es im Bergwerk jede Menge Tavernen, in denen man sich stärken, unterhalten und Aufträge annehmen kann.

All das wurde in waschechtem (kompilierten) BASIC V2 umgesetzt, bei der Grafik handelt es sich, vom Titelbild abgesehen, größtenteils um PETSCII-Zeichensatzgrafik, die absolut gekonnt in Szene gesetzt wurde. Da das Spiel ohne Nachladen auskommt, ist der Spielverlauf flüssig. Der Bildschirm ist übersichtlich gestaltet und zeigt neben dem Bergwerk in „3D“-Ansicht die Karte, die anfangs leer ist, aber im Zuge der Erkundung der jeweiligen Ebene automatisch mitgezeichnet wird, einen Kompass, den Status und weitere Informationen.

Je tiefer man ins Bergwerk vordringt, desto größer werden die zu erkundenden Bereiche und desto mehr Gegner tummeln sich in der Dunkelheit. Allerdings gibt es auch mehr Gegenstände und Gold zu entdecken.

Zu Trainingszwecken und als Testmodus kann Zwerg „Schummlor“ ins Rennen geschickt werden, der von Anfang an richtig stark gemacht werden kann, dafür aber von der (speicherbaren) Highscore-Tabelle ausgeschlossen bleibt. Im regulären Spiel erstellt man zu Beginn einen Zwerg, für den außer einem Namen vier Parameter festzulegen sind: Promille-Startwert (je höher der Grundpegel, desto wilder kämpft der Zwerg), Gold (zum Einkauf von Waffen und Gegenständen, aber auch als Einsatz beim Glücksspiel), Startwaffe und ein Gegenstand im Rucksack (der höchstens vier Objekte bzw. Getränke fasst).

Unerwartete Todesursache

Mein erstes Game Over ereilt mich nicht im Kampf gegen Orks oder Trolle, sondern nach dem Genuss eines starken alkoholischen Getränks, das meinen Pegel auf über 3,5 Promille ansteigen lässt, wodurch unmittelbar der Tod eintritt. Dabei muss bloß der Promillewert des Getränks zum aktuellen Wert addiert werden – ein Anfängerfehler!

Im zweiten Anlauf kaufe ich zunächst ein Nunchaku, das ich mit dem von einer Fee geschenkten Gold bezahle. Ein Kobold fordert mich gleich darauf zu einem Würfelduell, bei dem ich ein Goldstück verliere. Als ich beim nächsten Kobold nicht mitspielen möchte, bekomme ich zum Dank eine übergezogen und verliere fünf Lebenspunkte. Ein kleines Stück weiter greife ich einen Ork an und gewinne den Kampf. Das bringt auch ein bisschen Gold ein. Um die Ecke lauert ein Troll. Ich überlege zu fliehen, greife dann aber doch an und verliere ziemlich viele Lebenspunkte. Hoffentlich finde ich bald eine gute Fee oder eine Taverne, um meine Reserven aufzufüllen. Die Ebene überlebe ich mit ausreichend Gold, um mich im Wirtshaus satt zu essen und meine Energie dadurch wieder auf 81 % aufzufüllen. In Ebene 4 stoße ich zuerst auf einen Drachen, auf der Flucht verliere ich einen Teil meines Goldes und laufe dann einer bösen Fee in die Arme, die mir eine Menge Lebensenergie absaugt. Als ich dann noch auf einen Trollwächter stoße, trinke ich ein Bier, um ihn müde zu machen. Dabei übersehe ich schon wieder, dass ich damit eine letale Alkoholvergiftung erleide, und beende mein Testspiel im Rang eines Steinmetzes.

Das Testspiel hat sich als äußerst unterhaltsam erwiesen und Lust auf weitere Versuche gemacht. Es ist erstaunlich, wie gut das Spiel technisch umgesetzt ist, und wie viel Spaß es macht, die Dungeons zu erkunden. Das liegt auch am eigenwilligen Humor und den vielen kleinen Details, die alle in den Speicher gepasst haben.

Gold Quest VI ist ein tolles Spiel mit ausgewogenem Schwierigkeitsgrad, das einen frustfreien Einstieg ermöglicht, aber bald herausfordernd wird. Mit den zahlreichen, liebevoll gestalteten PETSCII-Charakteren bietet es optisch viel mehr, als man von einem BASIC-Spiel erwarten würde.

Links:

Von der luxuriösen Extended Version in der Wallet-Hülle hat uns die gute Fee aus Ebene 1 (andere behaupten, es sei Alexander Keller aus dem Zwergenteam gewesen) freundlicherweise zwei Exemplare zum Verlosen zur Verfügung gestellt. Wer gewinnen möchte, schreibt einfach bis 1. Dezember 2022 eine Nachricht mit einem Betreff, der in etwa „Gold Quest VI gewinnen“ lauten könnte, an commodore AT aon.at .

Links / Download Gold Quest VI

CSDb

The New Dimension

Shooter am C64: Kaum noch Luft nach oben

Spiele-Reviews: Zeta Wing und Soul Force

Mit Soul Force und Zeta Wing hat Sarah Jane Avory zwei ambitionierte Shoot ’em Ups veröffentlicht. Wir gehen der Frage nach, ob der Commodore 64 wirklich noch mehr Vertreter dieses Genres braucht.

von Georg Fuchs

Am Beispiel des Shooter-Genres lässt sich die Evolution der Spiele auf dem Commodore 64 gut nachvollziehen, da diese Spielegattung von Anfang an vertreten war und bis heute gepflegt wird, wie die hier vorgestellten Titel zeigen. Aus simplen, ruckelnden Ballereien in Blocksatz-Optik wurden technisch immer anspruchsvollere Software-Kunstwerke, welche die Grenzen der Hardware immer weiter ausloteten.

Klassische Weltraum-Shooter mit Raumschiffen, die die entweder horizontal oder vertikal scrollenden Levels durchqueren, folgen einer alten, aber bewährten Formel. Typische Spielelemente sind festgelegte Angriffsformationen, Hindernisse, denen man ausweichen muss, große Levelbosse und Upgrades des Raumschiffs. Diese Elemente sind beinahe so alt wie das Genre selbst und tauchen auch bei fast allen C64-Shootern auf.

Technische Perfektion alleine ist zu wenig, um einen Shooter-Hit zu erschaffen. Die C64-Fassung von Nemesis (Gradius) aus dem Jahr 1986 flackert und hat technische Schwächen, ist aber durchaus unterhaltsam, ohne dem Spielhallen-Original allzu nahe zu kommen. Das im Jahr darauf veröffentlichte Leviathan, ein in isometrischer Pseudo-3D-Perspektive scrollendes Spiel mit eleganten Grafik- und Soundeffekten, war trotz interessanter Technik ein Spiel, das man schnell zur Seite legte. Grafisches Vorbild war Zaxxon, dessen C64-Version aus dem Jahr 1984 stammt, das Arcade-Original wurde 1982 von Sega veröffentlicht.

Was einen guten Shooter wirklich ausmacht, lässt sich nicht in Scrolling-Routinen und anderen technischen Details messen. Wie schnell reagiert das Raumschiff auf die Signale des Joysticks? Klingen die Schüsse der Bordwaffen gut oder nerven sie? Sind die Angriffsformationen interessant oder wiederholen sie sich ständig? Kommt man in einen Spielfluss? Ist der Schwierigkeitsgrad fair? Nur wenn all diese Aspekte mehr oder weniger stimmen, kann sich ein Titel aus der unüberschaubaren Masse abheben.

Die Vergangenheit…

Viele der bekannteren C64-Shmups sind Umsetzungen großer Hits aus der Spielhalle, daneben gibt es aber sehr viele exklusive C64-Titel, die in der Veröffentlichungsflut der 80er-Jahre oft kaum wahrgenommen wurden. Titel, die Spuren hinterlassen haben, sind unter anderem Lightforce, dessen Rob-Hubbard-Musik den eher monotonen Ablauf übertönte; Sanxion mit seiner untypischen Prokofjew-Musik und einem geteilten Bildschirm, der das Spielgeschehen zugleich von der Seite und aus Vogelperspektive zeigt; Armalyte, eines der schönsten C64-Shmups, das auch höchstes spielerisches Niveau repräsentiert; Uridium, ein komplexer, ultraschwerer Shooter mit vom üblichen Schema abweichenden Elementen, der einen ganz neuen Standard bei Explosions-Animationen gesetzt hat; das fast unschaffbare Delta, das einen der besten Ingame-Soundtracks auf dem C64 bietet, für den Rob Hubbard Elemente von The Dark Side of the Moon und Koyaanisqatsi zu einem neunminütigen SID-Monster vermengte; IO mit fantastischer Grafik, elegantem Design und sehr hohem Schwierigkeitsgrad.

Katakis aus dem Hause Rainbow Arts war dem Arcade-Klassiker R-Type so ähnlich, dass Manfred Trenz & Co. diesen Titel auch gleich portieren mussten, um Probleme mit Rechteinhaber Irem zu vermeiden. Für mich war es allerdings über all die Jahre der gelungenste C64-Weltraumshooter, das Ballerspiel schlechthin, an dem sich alle anderen messen lassen mussten. Eine speicherbare Highscore-Liste war damals reiner Luxus, die Levels waren groß, das Raumschiff hatte imposante Upgrades, die Levelbosse waren furchteinflößend. Und die Musik von Chris Hülsbeck gehört zu den allerbesten C64-Soundtracks. Neben einem Zwei-Spieler-Modus, bei dem man sich abwechselnd durch die Levels kämpfen konnte, gab es auch einen Koop-Modus, bei dem ein Spieler den Satelliten des Raumschiffs steuerte. Über Farbfehler und gar nicht so wenige Bugs habe ich dafür hinweggesehen.

Einen Sonderfall stellt das 2006 von Protovision veröffentlichte Metal Dust von Stefan Gutsch und Chester Kollschen dar. Es stellt technisch alles in den Schatten, was je auf dem C64 veröffentlicht wurde, bietet riesige Levels und nicht weniger als sieben Waffensysteme. Musikalisch umrahmt wird das Spiel von einem Soundtrack der Band Welle: Erdball mit jeweils über 1000 Blocks Digi-Sounds in jedem der vier Levels, in denen verschiedene übergroße Gegner ins Rennen geschickt werden. Auch High-Speed-Passagen werden in jedem Level geboten. Allerdings wird das Spiel hier außer Konkurrenz erwähnt, da es nur mit SuperCPU und SuperRAM-Karte (mindestens 4 MB) läuft.

Grafisch herausragend präsentierte sich in einer Preview-Fassung Born in Space (1994) von Cosmos Designs, das allerdings nie fertiggestellt wurde und nur in einer Preview-Fassung bewundert werden kann.

…und die Zukunft?

Außerhalb der 8-Bit-Welt entwickelte sich das Genre weiter. Seit den frühen 90er-Jahren sorgte das Danmaku-Untergenre („Sperrfeuer“), auch „Bullet Hell“ genannt, für Furore. Bei diesen Spielen geht es in erster Linie darum, einem unaufhörlichen Kugelregen auszuweichen, was auf C64-Hardware kaum befriedigend umgesetzt werden kann.

Doch wer sagt, dass nicht auch nach bewährter, klassischer Shooter-Rezeptur noch Spielehits entstehen können? In den letzten Jahren ist vor allem der Name Sarah Jane Avory mit dem Shooter-Genre auf dem C64 verbunden. Doch wer ist Sarah Jane Avory? Die britische Programmiererin schuf in den 1990er-Jahren Spiele wie Thunderhawk, Jaguar XJ220, Combo Racer, Gemini Wing, Fighting Force, und Soul Star für Plattformen wie Amiga, Atari ST, Atari Jaguar-CD (!), Sega Mega CD, Sega 32X, Sega Saturn, PS1 und PS2. Heute schreibt sie in ihrer Freizeit C64-Spiele.

Ihr vertikaler Shooter Neutron (kurz vorgestellt in Lotek64 #61) erhielt den Gamers‘ Choice Award von Retro Gamer Nation (RGN) als bestes C64-Spiel des Jahres 2019. Entwickelt wurde es für eine 16-kB-Modul-Compo. Rückblickend wirkt es wie eine erste Fingerübung für Zeta Wing.

Preisgekrönt: Zeta Wing

Zeta Wing wurde im September 2020 von Sarah Jane Avory, die Mitglied im Protovision-Team ist, veröffentlicht und kann nur in digitaler Form erworben werden. Das Spiel ist, so wie Neutron, ein vertikaler Shooter, aber technisch ausgereifter und umfangreicher. Inspiriert wurde es vom Arcade-Klassiker Gemini Wing (Tecmo, 1987). Wie der Vorgänger Neutron wurde Zeta Wing mit dem RGN Gamers‘ Choice Award 2020 ausgezeichnet, Indie Retro News wählte es zum Budget-Titel des Jahres 2020.

Die Hintergrundgeschichte erzählt von seltsamen Mutanten, die sich auf der Erde ausgebreitet haben, sowie von einem wagemutigen Raumschiffpiloten, der sich ihnen in den Weg stellt – und das ist glücklicherweise bereits die Langfassung.

Viel interessanter als die Story sind die spielerischen und technischen Details: Zeta Wing umfasst sieben grafisch abwechslungsreiche Levels, die dank Parallax-Scrolling und verschiedener Level-Bosse auch technisch imponieren. Damit für Anfänger und Profis gleichermaßen etwas geboten wird, können drei Schwierigkeitsgrade gewählt werden. Die Bewaffnung kann mit zehn Upgrades verbessert werden, von denen bei Verlust eines Lebens nur das zuletzt erworbene verloren geht. Eine Dauerfeuer-Funktion ist im Menü wählbar.

Nach dem Start ertönt eine sehr nette Titelmusik, die gar nicht martialisch klingt, aber schon auf das rasante Spielgeschehen einstimmt, das im ersten Level noch nicht allzu herausfordernd ist. In Level 2 gibt es eine neue Melodie und es geht sofort viel hektischer zur Sache. Gegner und Formationen erfordern auch im einfachsten Schwierigkeitsgrad ständige Aufmerksamkeit, da man nun gezieltem Feuer ausgesetzt ist und der Gleiter ständig bewegt werden muss, um nicht einen – immer sofort tödlichen – Treffer abzubekommen.

Wird eine ganze Formation ausgelöscht, erscheint ein „P“-Symbol auf dem Bildschirm. Wenn 12 davon eingesammelt werden, gibt es ein Waffen-Upgrade. „Z“- und „W“-Sprites können für zusätzliche Punkte abgeschossen werden – alle 50.000 Punkte spendiert das Spiel ein Extraleben.

Das Spiel bietet nichts, was man nicht schon in Spielen wie Lightforce, Terra Cresta und anderen vertikalen Shootern gesehen hat. Aber das Gebotene ist hervorragend und ansprechend umgesetzt, vor allem der Spielfluss von Zeta Wing ragt aus der Masse heraus. Die hohe Geschwindigkeit und die freundlich-verspielte Atmosphäre, die das Spiel trotz der actionreichen Handlung ausstrahlt, verleihen dem Shooter schon nach dem ersten Ausprobieren ein hohes Suchtpotenzial. Bei Zeta Wing gerät man durch den Rhythmus von Ausweich- und Angriffsmanövern schnell in einen Flow, den man sonst nur von Arcade-Automaten kennt.

Soul Force, der neue Shooter-Maßstab?

Zeta Wing ist ein beeindruckendes Spiel, bewegt sich aber im üblichen Rahmen eines C64-Shooters. Wer in eine neue Dimension vordringen möchte, wird bei Sarah Jane Avorys nächstem Streich fündig (und ein paar Euros mehr los): Soul Force wurde für die Veröffentlichung auf einem 512-kB-Modul entwickelt, weshalb nicht auf die Limitierungen des Diskettenformates Rücksicht genommen werden musste. Müssten alle Level-Screens und Zwischensequenzen von Diskette nachgeladen werden, wäre das dem Spielfluss sehr abträglich, oder man müsste auf diese atmosphärischen Elemente verzichten.

Die Handlung ist, wie bei Shmups üblich, schnell erklärt: Das Sonnensystem Soultron wird nach einer langen Phase des Friedens überraschend von einer außerirdischen Streitmacht überfallen, die mit einer biomechanischen Flotte die friedlichen Planeten überfallen möchte. Glücklicherweise wurde in Friedenszeiten das Projekt Soul Force ins Leben gerufen und ein kleiner, wendiger Raumgleiter entwickelt, um Gefahren aus dem Weltraum abzuwehren.

Alle Levels beginnen mit einem kleinen Intro, in dem die Geschichte der Eroberung des Planeten weitergesponnen wird, und einem Bild, das atmosphärisch auf die nächste Stufe einstimmt. Dieser Aufwand ist ungewöhnlich für ein C64-Spiel, auf Diskette würde sich das in langen Ladezeiten niederschlagen. Soul Force gibt es nur auf Modul und kann sich daher einen so opulenten Auftritt leisten.

Die Levels haben verschiedene Settings: In manchen fliegt man durch den freien Raum, in anderen in Höhlensystemen und sogar unter Wasser. Die 20 (!) Levels sind nicht allzu lang, was das Spiel allerdings nicht einfacher macht, da es so viele davon zu bewältigen gilt. Da alle Levels über eigene Introsequenzen, Titelbilder, Musikstücke und Levelbosse verfügen, ist Soul Force das umfangreichste und größte Shoot ‘em Up, das je für den Commodore 64 geschrieben wurde.

Der Spielfortschritt wird auf dem Modul automatisch gespeichert. Darüber hinaus gibt es nach jeder abgeschlossenen Spielstufe Level-Passwörter sowie die Möglichkeit, den Spielstand auf Diskette zu sichern. Über die beiden zuletzt genannten Möglichkeiten werden sich vor allem Käufer der digitalen Version freuen.

Der Spielverlauf ist schnell zusammengefasst: Unser Raumschiff fliegt durch horizontal scrollende, schön gepixelte Landschaften, die optisch viel Abwechslung bieten. Bei den Hintergründen gibt es mehrstufiges Parallax-Scrolling, was bei C64-Shootern schon bei frühen Spielen üblich war. Meist wurde jedoch nur eine Ebene mit Sternen im Hintergrund in einer anderen Geschwindigkeit als der Vordergrund bewegt, um eine Tiefenwirkung zu erzeugen. In Soul Force gibt es fast immer mehrstufig scrollende Hintergründe, was angesichts der zahlreichen Sprites, die gleichzeitig über den Screen sausen, den C64 an die Grenze des Machbaren bringt.

Anders als bei Spielen wie Katakis und R-Type, bei denen durch Halten des Feuerknopfs der Beam aufgeladen werden kann, wird hier Dauerfeuer aktiviert, solange die Taste gedrückt bleibt – vorausgesetzt, diese Funktion wurde im Menü aktiviert. So erspart man sich hektische Fingergymnastik. Längere Feuerpausen gibt es nicht, da eine Angriffswelle auf die nächste folgt und auch die Kapseln, die die Waffen- und Raumschiff-Upgrades beinhalten, abgeschossen werden müssen, um an den begehrten Inhalt zu kommen.

Die Upgrades umfassen einen zeitlich begrenzt wirksamen Schutzschild, der das Spiel bedeutend einfacher macht, sowie stärkere Waffen. Insgesamt gibt es vier verschiedene Waffensysteme, die noch ausgebaut werden können. Hat man eine der Situation gut angepasste Waffe, ist es ratsam, keine weiteren Upgrades einzusammeln, da etwa breit streuende Kanonen sinnvoller sind, wenn Angriffswellen gleichzeitig von oben und unten erfolgen, als der kraftvolle Laser, der aber nur zerstört, was sich direkt vor unserem Schiff befindet. Verliert man ein Leben, gehen nicht – wie bei viele Shootern – sämtliche Upgrades verloren, sondern nur das zuletzt eingesammelte. Alle 50.000 Punkte gibt es, wie bei Zeta Wing, ein Extraleben.

Ferner gibt es Smartbombs, die sämtliche Gegner auf dem Bildschirm zerstören, sowie kurze, entspannende Phasen der Unverwundbarkeit. Neben den genannten Features hebt sich Soul Force, in unserem Universum übrigens der Name einer US-amerikanischen Antidiskriminierungs-Organisation, durch vier wählbare Schwierigkeitsgrade ab.

Die Steuerung fühlt sich gut an, das Raumschiff lässt sich exakt um Hindernisse, gegnerische Projektile und Schiffe manövrieren. Manchmal ist das Geschehen allerdings so hektisch, dass es kaum möglich scheint, ohne Schutzschild aus einer brenzligen Situation zu entkommen. Besonders wenn Gegner aus kurzer Distanz feuern, ist es kaum noch möglich, einen Treffer zu vermeiden.

Die Musik passt gut zum Spiel, die Melodien unterstreichen die Dramatik der nahezu endlosen Weltraumschlacht. Technisch wird dabei nichts Sensationelles geboten, dafür bietet der umfangreiche Soundtrack viel Abwechslung. Die Soundeffekte sind ebenfalls gelungen, sie beschränken sich auf die üblichen Schussgeräusche. Im Hauptmenü gibt es übrigens die Möglichkeit, den gesamten Soundtrack zu hören.

Soul Force ist ein weiteres Beispiel für Spiele von sehr hoher Qualität, die in jüngerer Vergangenheit für den C64 produziert werden. Gute Shooter gibt es viele für den C64, doch keiner bietet einen so großen Umfang und so viel Abwechslung. Dank der vier wählbaren Schwierigkeitsstufen haben nicht nur Hardcore-Spieler die Chance, das Ende zu erreichen. Soul Force hat Arcade-Qualitäten wie wenige andere C64-Actionspiele und wird allen, die dieses Genre mögen, beste Unterhaltung bieten.

Soul Force kaufen

Soul Force ist bei Protovision für 45 Euro zu haben (siehe unten). Dafür gibt es das Modul in einer Kartonbox in der gewohnten Qualität, eine gedruckte Anleitung, ein 3D-Raumschiff zum Zusammenbauen (kein Werkzeug nötig, eins von sechs Designs) und einen Aufkleber. Gegen Aufpreis gibt es außerdem eine Soundtrack-CD (Spielzeit über 50 Minuten!) und weitere 3D-Raumschiffe (für alle, die das Raumschiff in der Box intakt lassen wollen, aber trotzdem damit spielen möchten…). Die digitale Version ist immer enthalten. Das Spiel gibt es übrigens weder auf Diskette noch als D64-Image. Es funktioniert auf PAL- und NTSC-Systemen.

Links:

Zeta Wing kaufen (3,99 USD)

Soul Force kaufen: digitaler Download (12,99 Euro);

Cartridge (boxed) ab 45 Euro (Extras gegen Aufpreis verfügbar) – wieder bestellbar ab dem 1. Juni 2021.

Blog von Sarah Jane Avory

Späte Rache: Outrage (C64)

Spiele-Review und Interview mit Outrage-Coder Bernd Buchegger

Mit Outrage ist im Dezember 2020 ein herausragendes Actionspiel für den C64 erschienen. Beinahe unglaublich ist die Geschichte dahinter, denn es dauerte 30 Jahre, bis es sein Publikum endlich erreicht hatte. Wir haben uns das Spiel angesehen und mit Bernd Buchegger, dem Programmierer, gesprochen.

von Georg Fuchs

Spiele, die für Retro-Plattformen geschrieben werden, können mehr Zeit in Anspruch nehmen als aktuelle Konsolentitel, die mit astronomischen Budgets von riesigen Teams entwickelt werden. Bei 8-Bit-Spielen war meist beides überschaubar. Outrage war ursprünglich das Werk eines einzelnen Programmierers. Dass es 30 Jahre dauern würde, bis das Spiel seine offizielle Veröffentlichung erleben würde, hätte dieser wohl nicht gedacht. Doch gut Ding braucht Weile. Im Dezember 2020 war es schließlich soweit.

Eine lange Vorgeschichte

Wir schreiben das Jahr 1988: Noch ist die Heimcomputerszene fest in C64-Händen, die 16-Bitter sind teuer und die Softwarehäuser versorgen die 8-Bitter noch mit unzähligen guten Spielen. In Österreich gründen die Schüler Arnold Blüml und Hannes Sommer die Gruppe Cosmos Designs, im selben Jahr stoßen Karl Sommer und Bernd Buchegger dazu. Die 15- und 16-Jährigen konzentrieren sich zuerst auf Demos, in denen sie ihre Fähigkeiten als C64-Coder eindrucksvoll unter Beweis stellen. Ab 1989 verlegt sich die Gruppe immer stärker auf die Programmierung von Spielen. Über 20 Titel wurden in den folgenden Jahren veröffentlicht, die meisten auf Heft-Disketten bei Game On, der Magic Disk 64 und beim 64’er-Magazin. Zu den bekanntesten Cosmos-Spielen zählen die Fred’s-Back-Reihe, Super Nibbly und Cosmox. All diese Spiele fielen in eine Zeit, in der der Commodore 64 immer stärker von einer neuen Generation von 16-Bit-Computern und -Konsolen an den Rand gedrängt wurde.

1990 entstand zum ersten Mal ein Konzept für das Spiel Outrage. Hannes Sommer steuerte Tipps bei, das Spiel schrieb Bernd Buchegger (alias Panther) aber alleine. Outrage war ein Jump’n Shooter, auch bekannt als Run and Gun, ein damals äußerst populäres Genre. Da das Internat, das Bernd damals besuchte, keine privaten Computer erlaubte, konnte er nur an den Wochenende coden. So dauerte es zwei Jahre, bis sich das Spiel fertig anfühlte. Nun galt es, einen Publisher zu finden. Zufällig erschien zu dieser Zeit im 64’er-Magazin ein Aufruf zu einem Talentwettbewerb der deutschen Firma boeder, die Büroartikel, Computerzubehör und Software vertrieb. Boeder war in diesen Tagen auch ein sehr bekannter Hersteller von Disketten und jedem Heimcomputer-User ein Begriff. Den drei am besten bewerteten Beiträgen wurde eine kommerzielle Veröffentlichung ihres Spiels in Aussicht gestellt, dazu eine Woche in Südfrankreich inklusive Besichtigung eines Werks, in dem boeder-Disketten hergestellt wurden.

Nach einigen Monaten wurden die Ergebnisse des Wettbewerbs im 64’er-Magazin bekannt gegeben. Outrage war einer der drei Siegertitel, bei den anderen beiden Spielen handelte es sich um Cosmox von Hannes Sommer und Genloc von X-Ample Architectures – letzteres übrigens wie Outrage ein Jump’n’Shoot-Spiel mit Hawkeye-Anleihen. Endlich Anerkennung durch Familie und Freunde, endlich eine Bestätigung, dass all die am Heimcomputer verbrachte Zeit nicht verschwendet war…

In Ausgabe 07/93 des 64’er-Magazins wurden die Siegertitel vorgestellt, darunter Outrage.

Doch boeder ließ drei Monate nichts mehr von sich hören. Dann endlich ein Brief – mit einer alarmierenden Nachricht: Aufgrund einer Umstrukturierung sei man derzeit nicht in der Lage, sich um die Veröffentlichung des Spiels zu kümmern. Also hieß es weiter warten. Nach weiteren sechs Monaten folgte schließlich der endgültige Todesstoß für die Veröffentlichung. Boeder bedauerte in einem Brief, die Ausrichtung des Unternehmens geändert zu haben und keine C64-Titel mehr zu veröffentlichen. Statt eines veröffentlichten Spiels und einer Woche in Frankreich bot boeder Bernd an, ein Produkt aus dem Firmenkatalog auszuwählen. Das war ein schwerer Schlag, Bernd fühlte sich betrogen und schrieb eine wütende Antwort, außerdem bestellte er den gesamten Katalog. Boeder ließ danach nie wieder von sich hören.

Die Macher der anderen Gewinnertitel konnten ihre Spiele unters Volk bringen: Cosmox erschien beim CP-Verlag (Game On 08/1994), Genloc wurde schließlich via Magna Media (64’er 10/1994) veröffentlicht. Die Geschichte von Outrage endete hier jedoch vorerst. Die C64-Szene war im Niedergang, Bernd Buchegger begann ein Informatikstudium. Die Mitglieder von Cosmos Designs blieben in losem Kontakt, die Diskettenbox mit den Outrage-Daten sammelte allerdings fortan nur noch Staub statt Code. Die Jahre vergingen, bis um die Jahrtausendwende das Heimcomputer-Revival einsetze. 2002 waren die Arbeiten an der Cosmos-Designs-Webseite abgeschlossen, auf der auch Outrage vertreten sein sollte. Also wurde damit begonnen, die Originaldisketten in .d64-Images umzuwandeln. Das war der erste Schritt zur Veröffentlichung des Spiels seit der Absage von boeder.

Zu Beginn des Spiels muss man lernen, die Plattformen zu meistern.
Fallen lauern überall.

2005 kontaktierte Protovision Bernd und bot an, sich der Sache anzunehmen. Schnell wurde ein Vertrag abgeschlossen. Einige Fehler, die beim Testen auftauchten, wurden korrigiert. Es stellte sich aber bald heraus, dass eine gründliche Überarbeitung viel mehr Zeit benötigen würde, als dem Team zur Verfügung stand. So vergingen weitere fünf Jahre, in denen das Spiel seiner Veröffentlichung keinen Schritt näher kam.

2010 wurde dann durch David Simmons (Jazzcat) eine Vereinbarung über eine Veröffentlichung via Psytronik vermittelt. Doch weitere acht Jahre vergingen, in denen lediglich ein tolles Bild für den Loader entstand, der so auch in der endgültigen Version erhalten geblieben ist. 2018 wurden schließlich weitere Coder eingebunden, darunter Sidney Arbouw, der sich schnell einarbeitete und dem Spiel den letzten Schliff geben konnte. Protovision und Psytronik sorgten schließlich für eine angemessene Veröffentlichung in der gewohnten Qualität.

Wie spielt sich Outrage?

Hat sich dieser Aufwand gelohnt, ist Outrage überhaupt noch interessant genug für verwöhnte Retrospieler? Schließlich wurden C64-Fans in den letzten Jahren mit vielen guten Veröffentlichungen für ihre Treue zur Plattform belohnt. Die Antwort vorweg: Ja, Outrage ist ein tolles Spiel, allerdings nicht für jeden. Denn durch den hohen Schwierigkeitsgrad, der bereits dem Autor der Vorstellung der Wettbewerbssieger im 64’er-Magazin Ende 1993 aufgefallen war, richtet es sich vor allem an geübte Action-Spieler mit schnellen Reflexen.

Manchmal kann man sich zwischen zwei Wegen entscheiden.
Outrage ist nicht einfach, dafür aber technisch perfekt umgesetzt.

Outrage erinnert, wie bereits kurz erwähnt, an das C64-Spiel Hawkeye von Thalamus, das 1988 erschien und nicht nur dank imposanter Grafik und Musik mit Lob überhäuft wurde. Outrage ist noch eine Spur schöner. Das Spiel kann mit sehr guten Animationen, meisterhaft gepixelten Hintergrundgrafiken und einem stimmungsvollen Soundtrack aufwarten. Die Titelmusik stammt von Karl Sommer von Cosmos Designs. Nun gibt es abweichend vom ursprünglichen Spiel zusätzlich in jedem Level eine eigene In-Game-Musik von Roy Widding (Rotteroy). Die ursprüngliche In-Game-Musik von Karl Sommer ist aber weiterhin vorhanden und dient nun der musikalischen Untermalung des Handbuchs, das nicht nur in gedruckter Form vorliegt, sondern auch am Bildschirm studiert werden kann.

Das Spiel besteht aus fünf großen Levels mit imposanten Endbossen, von denen für den Anfänger schon der erste schwer zu knacken ist. Das Spielgeschehen ist schnell, aber man wird nicht durch die Levels getrieben, sondern kann beim Durchlaufen der Welten (immer von links nach rechts) auch verweilen, um den besten Weg durch zahlreiche Hindernisse und Gegner zu finden und sich den Weg freizuschießen. Dazu kommt ein taktisches Element: Um Munition für die stärkeren Waffen zu erhalten, den Energiebalken aufzufüllen und andere Extras zu kaufen, müssen möglichst viele Münzen eingesammelt werden, die beim Abschießen von Gegnern und auch anderen Hindernissen auftauchen (und schnell wieder verschwinden). Läuft man zurück nach links, tauchen Gegner erneut auf und man kann mehr Geld einsammeln. Allerdings geht man dabei nicht nur das Risiko ein, durch „Feindberührung“ Energie oder gar ein Leben zu verlieren, sondern läuft auch Gefahr, ohne Spritekollision zu viel Energie abzubauen, da sich der Energiepegel mit der Zeit automatisch verringert. Das erschwert die Aufgabe gewaltig, da es dadurch nicht möglich ist, an einfacheren Stellen beliebig viele Münzen zu sammeln.

Der erste Levelboss kostete mich Nerven… und sämtliche Smartbombs.

Eine elegante Sprung-Schuss-Kombi, doch der Energiebalken ist fast leer.

Leben stehen bei Spielbeginn übrigens fünf zur Verfügung. Das gibt schon einen Hinweis darauf, dass es sich bei Outrage um ein Spiel mit hohem Schwierigkeitsgrad handelt. Dabei gibt es – wie erwähnt – einen Energiebalken, es endet also nicht jeder Fehler mit dem Verlust eines Lebens. Es gibt aber auch Möglichkeiten, ungeachtet des Energiepegels sofort zu sterben – etwa, wenn man beim Springen in einen Abgrund stürzt.

Gameplay mit taktischen Elementen

Anders als bei vergleichbaren Spielen müssen stärkere Extrawaffen nicht eingesammelt werden, sondern stehen von Anfang an zur Verfügung. Es gibt vier verschiedene Baller-Waffen, die immer verfügbar sind und über die F-Tasten gewählt werden können. Doch nur für die kleinste, schwächste Waffe steht unbegrenzt Munition zur Verfügung, für die anderen können Münzen gegen Magazine getauscht werden. Mit stärkeren Waffen müssen bei Gegnern weniger Treffer gelandet werden, ein Schuss aus der Standardwaffe reicht bei diesem Spiel nie aus. Dafür kostet die Munition mit zunehmender Stärke der Waffe mehr Geld und die Schüsse sind schnell verbraucht. Wer sie gegen schwache Gegner einsetzt, wird bei den riesigen und eindrucksvollen Levelbossen vermutlich die Extra-Feuerkraft vermissen. Und wer gierig jede Münze einsammeln will, wird bestraft, denn bei Outrage muss man ständig jedes Detail im Auge behalten, und ständig tauchen neue Gegner auf.

Im Shop werden die Münzen gegen Munition und Upgrades getauscht. Wer schlau investiert, kommt weiter.
Outrage bietet Gameplay, Grafik und Musik auf höchstem Niveau, erfordert aber Geduld und Präzision.

Zu Beginn ist eine (per Leertaste aktivierbare) Smartbomb im Gepäck, später können in den hin und wieder auftauchenden Shops weitere gekauft werden. Unser Held kann bis zu drei Stück mit sich führen. Solange die Lage nicht völlig aussichtslos ist, empfiehlt es sich, die Smartbomben für den Levelboss aufzubewahren, denn für Gegner, die man auf diese Weise ins Jenseits befördert, gibt es keine Münzen. In den Shops kann auch die Gesundheit aufgefüllt werden und es gibt ein Waffen-Upgrade namens RapidFire zu erwerben, das die Schussfrequenz verdoppelt und die Aufgabe dadurch deutlich vereinfacht. Allerdings muss diese nützliche Erweiterung in jedem Level neu erworben werden. Wer sonst schon alles hat, kann – bei gut gefüllter Geldbörse – auch Extraleben kaufen.

Die Hindernisse in den grafisch hervorragend in Szene gesetzten Levels sind zahlreich und bunt gemischt: Rohre, aus denen Flammen austreten sind ebenso tödlich wie Steine, die von der Decke fallen. Feuerbälle, Drachenköpfe, Steinkugeln und Fantasiewesen kommen in unterschiedlichen Bewegungsmustern auf den Helden zu, der äußerlich an einen gewissen John Rambo erinnert, und lassen den Energiebalken schnell ein Stück schrumpfen. Die fünf Levels haben nicht nur verschiedene Gegner, sondern auch alle ihre Besonderheiten, die verhindern, dass der Ablauf monoton wird.

Für Anfänger ist selbst die Fortbewegung ohne Gegner kein Zuckerschlecken. Überall lauern Fallen, schwierige Sprünge und Formationen von Gegnern, die nur bei fehlerfreier Joystickakrobatik rechtzeitig aus dem Weg geräumt werden können. Schon für Level 1 habe ich viele Anläufe gebraucht, in Level 2 war es vor allem der Endboss, der mir alles abverlangt hat. In Level 3 war für mich Schluss, doch mit Geduld und Übung lässt sich das Spiel schlagen. Dass dies ohne Cheats zu schaffen ist, beweist ein Spieler in einem Video auf YouTube.

Stimmungsvolle Hintergründe…

…und fiese Gegner!

Outrage kaufen

Das Modul mit attraktiver Verpackung und Handbuch gibt es bei Protovision (40 Euro), natürlich kann auch eine rein digitale Version (4,99 Euro) erworben werden. Gegen Aufpreis kann auch eine Diskette bezogen werden, ebenso ein DIN-A3-Poster und eine Audio-CD mit dem Soundtrack. Die Disketten- und Modul-Images zum Spielen per Emulator sind in jedem Fall inkludiert, sind bei Protovision aber auch als „Standalone“-Artikel zu haben. Psytronik vertreibt die reine Disketten-Version mit unterschiedlichem Artwork, die ab ca. 9 Euro zu haben ist.

Wieder einen Levelboss erreicht, aber nur noch ein Leben. Übung macht den Meister.
In der Highscore-Tabelle ist noch viel Luft nach oben!

Es ist kein Zufall, dass Outrage in allen C64-Jahresbestenlisten vertreten war und bei sämtlichen C64-Game-of-the-Year-2020-Abstimmungen auf den vorderen Plätzen landete. Wer eine Herausforderung sucht und actionlastige Spiele mag, in denen nicht nur blind herumgeballert wird, sollte sich Outrage nicht entgehen lassen.

Links zum Spiel, weitere Informationen

1. Outrage bei Protovision kaufen (digital oder Modul, optional mit zusätzlicher Disk):

2. Outrage bei Psytronik kaufen (Disk)

3. Die offizielle Webseite von Outrage

4. Webseite von Cosmos Designs

„Wie eine Zeitmaschine“

Interview mit Outrage-Programmierer Bernd Buchegger

Der Mann hinter Outrage: Bernd Buchegger aka Panther, geboren 1973, stammt aus der Weststeiermark. Als Schüler in Graz wurde er Mitglied der Gruppe Cosmos Designs, wo er als Grafiker und Programmierer aktiv war. Er arbeitete an zahlreichen Demos mit und war auch am Spiel Lions of the Universe beteiligt. Heute lebt er als Geschäftsführer des IT-Unternehmens trinitec in Klagenfurt.

Lotek64: 30 Jahre Entwicklungszeit, das ist auch für ein C64-Spiel ein rekordverdächtiger Wert. War es das wirklich wert?

Bernd: Absolut. Ich bin begeistert von den vielen positiven Reaktionen auf Outrage. Die Reviews sind eine Bestätigung, dass wir das alles richtig gemacht haben. Die viele Arbeit hat sich am Ende also gelohnt. Ich hatte keine monetären Motive, mir war wichtig, dass das Spiel publiziert wird.

Lotek64: 1993 war das Spiel bereits freigegeben, doch der Verleger wollte nichts mehr von 8-Bit-Spielen wissen. Du hast danach immer wieder versucht, eine Möglichkeit zu finden, das Programm doch noch zu veröffentlichen, was jahrelang lediglich zu weiteren Leerläufen geführt hat. Die erste Frage, die sich viele stellen: Warum hast du das Programm nicht einfach so, wie es war, selbst veröffentlicht?

Bernd: Ja, weil wir dann keine 30 Jahre geschafft hätten! Nein, im Ernst, ich hatte damals mit viel Einsatz rechtzeitig ein erstes Release für den Wettbewerb im 64’er-Magazin fertig gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Levels und alle wesentlichen Funktionen von Outrage fertiggestellt, es gab aber auch noch ein paar offene Baustellen. Doch dann kam diese fürchterliche Absage von boeder, die mich emotional stark zurückgeworfen hat. Von meiner Familie gab es kaum Unterstützung in der Sache, und ich war zu jung und unerfahren, um das alles selbst in die Hand zu nehmen. Da boeder den Vertrieb für den Commodore 64 eingestellt hatte, hatte ich wenig Hoffnung, dass es mir bei anderen Firmen besser ergehen würde. Ich habe zwar noch einen Anlauf beim CP-Verlag versucht, aber auch hier keine Reaktion mehr erhalten. Damit wanderte Outrage vorerst in die Disketten-Box.

Lotek64: Eine Frage, die sich natürlich aufdrängt: Was hat sich gegenüber der ursprünglichen Fassung geändert?

Bernd: Eine ganze Menge. In der ursprünglichen Version hat es nur einen einzigen Soundtrack für alle Levels und keine Soundeffekte gegeben. Dies wurde alles neu gemacht und jedes Level bekam einen eigenen Track mitsamt Sound-FX von Roy Widding. Sidney Arbouw, David Simmons und Zack Thompson bügelten zahlreiche Bugs aus, die sich eingeschlichen hatten. Dann kam das fantastische Artwork von Lobo Spitouf und Trevor Storey für das Game Manual und die Collector Edition Box dazu. Das Ingame Manual mit der ganzen Outrage Hintergrundstory wurde inhaltlich von mir und Arnold Blüml ausgearbeitet und mit den PETSCII Grafiken von Cal Skuthorpe ergänzt. Ein Title-Pic von Steve Day (STE’86) sowie ein neuer Loader von Lasse Öörni wurden eingebaut. Es wurde also vieles rund um das Spiel massiv erweitert.

Das eigentliche Level Design, die Endbosse sowie das Monster Placement entsprechen weitgehend der ursprünglichen Version. Das haben wir vielfach diskutiert und getestet und am Ende wurde die Entscheidung getroffen, den Spielstil von 1990 zu erhalten. Die 90er orientierten sich am Hardcore und weniger am Casual Gamer.

Lotek64: Stichwort Casual Gamer: Outrage ist eine echte Herausforderung, die meisten werden schon zu Beginn viele Leben verlieren und nicht ohne Mühe Fortschritte erzielen. Warum ist der Einstieg so hart?

Bernd: Der Schwierigkeitsgrad von Outrage nimmt bewusst einen im Vergleich zu Casual-Spielen atypischen Verlauf. So beinhaltet Level 1 eine Menge fieser Stolpersteine, weil es gleichzeitig ein Trainingslevel ist. Sobald man hier das Springen zwischen den Plattformen gemeistert und das Verhalten der Monster und Endbosse erlernt hat, ist Outrage gut zu beherrschen. Level 1 ist folglich relativ hart, danach wird es abgemildert, um sich dann gegen Ende wieder zu steigern. Bereits bekannte Monstertypen verändern ihre Bewegungsmuster, damit es abwechslungsreich bleibt. Outrage treibt ständig an, erfordert gleichzeitig aber Zurückhaltung an den richtigen Stellen. Wer Spieletipps braucht, kann sich gerne an mich wenden!

Lotek64: In der Anleitung beschreibst du die Entstehungsgeschichte von Outrage. Du hast vorher Demos gemacht, aber, wenn ich es richtig verstanden habe, noch kein vollständiges Spiel. Dabei ist Outrage technisch sehr anspruchsvoll und auch Gameplay und Leveldesign wirken ausgereifter, als man es von vielen aufwändigen kommerziellen Titeln aus der Glanzzeit des C64 kennt. Hat es dich nie gereizt, auf anderen Plattformen Spiele zu entwickeln, oder war die Enttäuschung damals zu demotivierend?

Bernd: Das ist korrekt – Outrage war mein Erstlingswerk und es stecken eine Menge Herzblut, viel Hirnschmalz und endlose durchgearbeitete Wochenenden darin. Ich habe später damit begonnen, kleine Spiele für den PC zu entwickeln – das war noch in meiner Schulzeit. Diese wurden dann rasch der Renner im Informatik-Unterricht. Im Informatik-Studium wurde meine Aufmerksamkeit dann allerdings rasch auf andere Themen gelenkt und Game-Development trat eher in den Hintergrund. Der Reiz, Spiele zu entwickeln, ist nie ganz verflogen – neben Familie und Firma bleibt aber leider kaum Platz dafür. Erleben zu dürfen, wie Outrage nach all den vielen Jahren tatsächlich Realität wurde, ist für mich ein persönliches Großereignis, das unglaublich viel Freude macht.

Lotek64: Hast du in den letzten Jahren andere neu erschienene C64-Spiele gespielt? Wenn ja, wie beurteilst du den kleinen, aber lebendigen Markt?

Bernd: Mangels Zeit habe ich selbst leider viel zu wenig aktiv spielen können. Aber ich habe viele Videos und Webseiten angeschaut und mich in den diversen C64-Facebook-Gruppen bewegt. Die Freude und Energie der Retro-Szene ist für mich persönlich wie eine Zeitmaschine, die mich jedes Mal in diese aufregende Zeit von damals zurückführt. Es ist einfach unfassbar, wie viel kreative Energie da noch immer in der Szene steckt und wie liebevoll alle mit der alten Brotkiste umgehen. Die Szene wächst ständig weiter – das zeigen die letzten Zahlen aus der CSDb.

Lotek64: Welche technischen Leistungen auf dem C64 haben dich damals besonders fasziniert und inspiriert?

Bernd: Ich war fasziniert, als ich meinen ersten Grafik-Scroller gesehen habe und musste sofort den Code analysieren, um zu verstehen, wie das funktioniert. Denn eigentlich durfte das ja gar nicht möglich sein. Daraus wurde rasch mein erster eigener Fullscreen-Grafik-Scroller und später ein AFLI-Scroller. Genial, was man aus dem C64 mit ein bisschen Assembler-Code alles herausholen konnte! Im Grunde war es diese Reduktion, deren Grenzen man unbedingt ausreizen und verschieben wollte. Ich denke, das macht für viele heute noch den Charme des C64 aus. Auch die ersten Vektor-Animationen waren für mich erstaunliche Arbeiten, die zwar aufwendig, aber sehr clever gelöst waren.

Lotek64: Springen wir zurück an den Anfang: Wann hast du deinen C64 bekommen und wie hast du das Programmieren erlernt? Gab es in Graz, wo du damals gelebt hast, eine größere Szene, konnte man sich mit anderen austauschen? Und gab es in deinem Umfeld noch andere Gruppen, die Demos oder Spiele machten?

Bernd: Mein Einstieg war ein ZX81, dann ein VC20 und später zur Firmung endlich ein Commodore 128, der dann bald nur mehr im 64er-Modus gelaufen ist. Nach anfänglichen Basic-Experimenten bin ich dann in die Assembler-Programmierung eingestiegen. Was für ein Performance-Unterschied – ab da gab es keinen Weg mehr zurück.

Gelernt habe ich das Programmieren in erster Linie autodidaktisch zusammen mit Freunden, die mit mir auf den Assembler-Zug aufgesprungen sind. Ich war zu dieser Zeit in Graz im Internat der HIB Liebenau. Dort waren wir den frisch angelernten Informatik-Lehrkräften längst voraus, wobei ich das Glück hatte, eine exzellente Informatik-Lehrerin zu haben.

In Graz gab es damals bereits eine lebendige 64er-Szene. In einer Spielautomatenhalle konnte ich bei einem „R-Type“-Automaten meinen ersten Szenekontakt zur damals sehr umtriebigen Softkiller Crew (TSK) herstellen, deren Nickname ich beim Eintragen in der Highscore-Liste erkannte. Bald ging es zu einer lokalen Copy-Party und es wurde die erste Gruppe („Crystal“) gegründet. Innerhalb der Szene vernetzte man sich sehr schnell und es folgten größere Szene-Treffs in Österreich und anderen Ländern.

Arnold und Hannes von Cosmos Designs kennenzulernen, war dabei ein echter Gamechanger. Denn die Qualität und Kreativität, mit der hier ständig neues Material produziert wurde, war für mich als jungen Menschen höchst inspirierend und motivierend. Ohne diesen Hintergrund hätte ich vielleicht das Projekt Outrage nicht in Angriff genommen und ohne den späteren Support von Arnold vielleicht auch nie zu Ende gebracht. 2020 sind wir im Vorfeld zum Release von Outrage wieder alle drei zusammengekommen. Das war ein sehr bewegender Moment, der sich übrigens als Polaroid in der Outrage Collector Edition Box wiederfindet.

Lotek64: Heißt das, dass weitere Projekte denkbar sind?

Bernd: Ich selbst habe nichts in der Schublade. Neue Projekte würden wohl an der mangelnden Zeit zwischen Job und Familie scheitern. Aber es gibt andere Cosmos-Designs-Schubladen, in denen noch vor langer Zeit begonnene Projekte darauf warten, wiederentdeckt und fertiggestellt zu werden. Vielleicht gibt es da ja noch die eine oder andere Überraschung!

Lotek64: Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Georg Fuchs.

Von Legoland ins Gruselschloss

Als kleinen Vorgeschmack auf die 61. Ausgabe von Lotek64, die im Dezember 2020 erscheint, präsentieren wir einen umfangreichen Test von Super Mario Lego sowie eine Review des klassischen Adventures The Curse of Rabenstein.

Super Mario Lego

Wir klempnern uns durch die Landschaft – im Blaumann und mit Bluetooth!

— von Marleen

Als ich vor sechs Jahren ausgewandert bin, musste ich meine Kindheits-Lego-Sammlung leider in Deutschland lassen. Gott sei Dank habe ich hier in Kanada aber Kumpeline Jada, die von Lego regelrecht besessen ist und eine riesige Sammlung besitzt. Und so hat sie vor Kurzem mal wieder einen Großeinkauf getätigt und einfach jedes einzelne verfügbare Super-Mario-Set auf einmal bestellt. Als sie vorschlug, wir könnten das „Unboxing“ gemeinsam angehen, konnte ich nicht Nein sagen. Wir haben uns dann einen Freitagnachmittag ausgeguckt, Masken auf, und ran an den Speck!

Die folgenden Komponenten sind erhältlich:
Starterset mit Mario (das man auf jeden Fall braucht) – 59,99 EUR
Expansion-Packs unterschiedlicher Größen – zwischen 19,99 und 99,99 EUR
Neue Hosen & Mützen für Mario – je 9,99 EUR
„Blind Bags“ mit Sammelfiguren – je 3,99 EUR  
Bestellen kann man sie hier. (Foto oben: ca. 600 EUR)

Unter anderem hatte Jada Tütchen mit Sammelfiguren bestellt, und mit denen fingen wir an. Insgesamt hatten wir neun von diesen Tütchen zum Öffnen; das waren immerhin sechs der zehn möglichen Sammelfiguren – und die sind wirklich niedlich gemacht. Jeder dieser Mario-Gegner steht auf einem Stückchen der passenden Landschaft und hat oben, hinten oder seitlich einen bunten Barcode aufgeklebt (dazu später mehr).

Weiter ging es mit dem Starterset – dem einzigen Paket, welches eine Mario-Figur beinhaltet. (Und auch die einzige Box, die komplett asymmetrisch und nicht so recht stapelbar ist.)

Mario hat es in sich. Zunächst war die Überraschung groß, denn Mario braucht zwei AAA-Batterien, die wir gerade nicht da hatten, und einen Mini-Schraubendreher für das Batteriefach braucht man auch. Also mussten wir noch mal eben vor Ladenschluss in den Drogeriemarkt und schnell Batterien und eine Pinzette kaufen. Wenn man sich das Kleingedruckte auf der Unterseite (!) der Verpackung auch nicht ganz genau durchliest…

Als wir dann fertig ausgestattet waren, gab es die nächste Überraschung – Mario erwachte, und wollte aber erstmal ein Firmware-Update. Das Ganze lässt sich mit den gängigen Smartphone-Modellen auch sehr einfach bewerkstelligen, Mario kann nämlich Bluetooth.

Überraschung Nummer drei war, dass den Boxen gar keine ausgedruckten Anleitungen mehr beiliegen. Das Ganze wird jetzt komplett auf dem Handy oder Tablet gemacht – wo man sich jeden Schritt in 3D von jeder Seite ansehen kann, was auch gar nicht so schlecht ist. So waren die einzelnen Landschaftskomponenten und Gegner dann auch schnell zusammengefummelt.

Es gab dazu dann auch noch Videos, die zeigen, wie das mit dem Spielen gedacht ist:

Mario kann nicht nur per Bluetooth mit dem Smartphone kommunizieren, sondern mit seinen Füßen auch die vormals erwähnten bunten Barcodes lesen. Mario weiß also, wenn er auf einem Gegner oder einer Fragezeichenbox steht, oder auf der Farbe blau (Wasser) oder der Farbe rot (Lava), und reagiert entsprechend mit Soundeffekten und Musik, digitaler Mimik, und, naja, seinem Gesundheitszustand.

Auch wichtig: es gibt ein Plättchen mit „Start“-Barcode und eines mit „Ende“-Barcode, die man entsprechend in seinem Parcours verbauen kann. Ab „Start“ läuft Marios interne Uhr für genau eine Minute. (Es sei denn, Mario springt auf einen Barcode, der mehr Zeit gibt – diese sind aber nur in manchen Expansion-Sets enthalten.)

Mario weiß auch, wenn er umfällt, und so stellt man sich gleich die Frage, was man denn sonst noch so alles anstellen könnte – auf den Kopf stellen? Schütteln? Es lädt jedenfalls zum Experimentieren ein!

Das Level-Design gestaltet sich recht simpel. Anstelle eines 2-D-Platformers, in dem man sich nur rechts und links bewegt und vielleicht eher in die Höhe baut, ist es hier eher so gedacht, dass sich das ganze Level zu ebener Erde befindet. Die Verbindungsstege zwischen den einzelnen Gras-, Wasser- oder Lava-Inseln sind minimalistisch gehalten. Dafür baut man dann eher nicht-lineare Level mit Verzweigungen.

Wer noch etwas Spannung hinzufügen möchte, muss sich an den Expansion-Sets bedienen.

Wir haben am gleichen Abend auch noch das Set mit Baumhaus und Piranha-Pflanze geschlachtet, eines der größeren Sets. Wir waren zwar schon einigermaßen müdegespielt, aber die Piranha-Pflanze wollte ich doch sehr gerne noch mit eigenen Augen sehen!

Was diese zusätzlichen Sets auszeichnet, sind aber nicht nur mehr Landschaftsteile und Bauanleitungen für andere Gegner, sondern mechanische Spielereien. Man hat sich Mühe gegeben, alles Mögliche zum Wippen, Drehen, Schwingen, Klappen und Katapultieren zur Verfügung zu stellen, damit den Leuten nicht ganz so schnell langweilig wird. So hat die Piranha-Pflanze (zum Beispiel) einen Teleskop-Hals und einen Trittstein, mit dem Mario ihr per Hebelwirkung ordentlich einen vors Kinn zimmern und sie so zurück in die Röhre befördern kann. Als Belohnung wird so der Barcode zum Scannen freigelegt.

Das Expansion-Set enthält leider keine zusätzlichen Start- und End-Plättchen und auch keine zweite spielbare Figur.

Es existieren zwar ein Set mit Yoshi und eines mit Toad – dies sind aber reine NPCs, also ohne den ganzen digitalen Schnickschnack. Vielleicht wird ja auch irgendwann auch ein spielbarer Luigi oder Wario veröffentlicht.

Von den Prinzessinnen Peach und Daisy fehlt bisher weit und breit jede Spur – nichtmal als NPC zum Retten, und schon gar nicht als spielbare Figur, was ja noch viel besser wäre.

Und dass es die einzige Spielfigur nur im Box-Set gibt, ist schon ein bisschen Beutelschneiderei.

Die Zehn-Euro-Päckchen mit Feuerblumen-Outfit, Katzen-Outfit und so weiter sind nämlich auch nur das: Hosen und Mützen in anderen Farben. Die Hosen stellen auch noch geringfügig andere Animationen für Mario zur Verfügung. Viel Zeit haben wir damit an dem Abend aber nicht verbracht.

Insgesamt bin ich, was Spielzeuge betrifft, ja eher digital-kritisch eingestellt. Ich finde Lego einfach super, ganz ohne Displays, Musik und Bluetooth. Ich hatte an der ganzen Sache dann aber doch viel mehr Spaß, als ich erwartet hatte. Ist schon putzig, was Lego sich da ausgedacht hat.

Der Preis der einzelnen Sets scheint angemessen. (Zumindest habe ich bei Lego für das gleiche Geld schon weniger im Paket gehabt.)

Was geht:

  • Fragezeichen benutzen (mit Zufallsbonus – Unbesiegbarkeitsstern, Pilz und so weiter)
  • Münzen sammeln (automatisch, irgendwie – die Münzen muss man sich selbst vorstellen)
  • Auf Zeit spielen

Was im Moment leider (noch?) nicht zu gehen scheint:

  • Mehrere, in Reihe schaltbare Levels mit unterschiedlichen Start- und Endplättchen.
  • Bonuslevels per grüner Röhre!
  • Und natürlich das Prinzessinnenretten (oder Prinzessin-sein)

… aber das kann ja noch kommen. Die Lego-Leute haben da bestimmt noch große Pläne. Aktuellen Informationen zufolge wird es 2021 allerdings keine neuen spielbaren Charaktere geben – und keine Prinzessinnen.

Wer wie Marleen eher am Leveldesign als am Spielen interessiert ist, der kann statt Legos auch Kühlschrankmagnete kaufen. Die gibt es entweder in der günstigeren 2D-Variante, oder für etwas mehr Taschengeld in der Luxus-3D-Ausführung. Die Soundeffekte muss man dann halt selbst beisteuern!

The Curse of Rabenstein

Im März 2020 ist ein Adventure erschienen, das aus mehreren Gründen verblüfft.

— von Georg Fuchs

Textadventures gehörten in den 80er-Jahren zu den populärsten Genres auf Heimcomputern und PCs. Sie liefen auch auf Systemen, die nicht auf die Wiedergabe von Grafik ausgerichtet waren, boten oft ein langes Spielvergnügen und wurden immer besser darin, die Eingaben der Spieler zu deuten. Während das US-Softwarehaus Infocom auf Purismus setzte und den Kauf seiner Titel mit fantasievollem Zubehör versüßte, spendierten die meisten anderen Firmen, die auf dieses Genre spezialisiert waren, ihren Abenteuern Illustrationen. Das half oft bei der Orientierung im Spiel und bot eine zusätzliche Motivation, selbst wenn es sich um einfache Grafiken handelte. Manche Softwarefirmen boten optische Meisterwerke auf, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Die englischen Studios Level 9 Computing und Magnetic Scrolls leisteten auf diesem Gebiet Herausragendes.

Die kommerzielle Ära dieser Spiele endete, als Point-&-Click-Adventures ihren Siegeszug antraten. Text/Grafik-Adventures sind heute selten gesehene Ausnahmeerscheinungen, und wenn plötzlich eines auftaucht, bei dem Genre-Fans mit etwas weiter zurückreichendem Gedächtnis sofort Magnetic Scrolls in den Sinn kommt, dann sind Vorfreude und Begeisterung durchaus angebracht.

The Curse of Rabenstein, das im April am Radar auftauchte, überrascht aber nicht nur durch seine klassische Aufmachung. Das von Stefan Vogt – ihm verdanken wir auch das hochgelobte Textadventure Hibernated (2018) – programmierte Spiel läuft nicht nur auf dem guten alten C64, sondern auf einer Reihe klassischer Systeme: Neben der C64-Fassung gibt es eine Version für den Plus/4, eine für den Sinclair ZX Spectrum, eine für den Schneider CPC, MS-DOS, Atari ST und Amiga. Wer keines dieser Geräte sein Eigen nennt und sich nicht mit Emulatoren beschäftigen möchte, kann auch auf eine Fassung zurückgreifen, die in jedem Browser mit Javascript läuft.

Abb. 1: Browser-Version des Spiels

The Curse of Rabenstein erinnert optisch tatsächlich stark an die klassischen Titel von Magnetic Scrolls. Der obere Teil des Bildschirms wird von stimmungsvollen Bildern eingenommen, der untere Bereich gehört dem Text. Wie man aus dem Namen schließen kann, ist das Spiel in englischer Sprache gehalten, spielt aber in Deutschland – genauer gesagt im Schwarzwald, und das in einer Zeit, in der man noch mit Pferdekutschen reiste.

Abb. 2: The Curse of Rabenstein auf dem Amiga 500

Über die Handlung wird vor Spielbeginn nichts verraten, man wird ins Geschehen gestoßen und muss sich dann orientieren. Das ist Teil des Spielerlebnisses, deshalb wird an dieser Stelle auch nicht mehr verraten – außer dass es ein düsteres Spiel mit düsteren Bildern ist, die meisterhaft in Szene gesetzt wurden, besonders auf den 8-Bit-Computern. Mir persönlich haben von den angespielten Versionen – Browser, C64, Plus/4, Amiga – die Bilder der Commodore-Plus/4-Fassung am besten gefallen, der TED-Chip lässt mit seiner größeren Farbpalette in diesem Fall nicht nur den C64 hinter sich, sondern auch die jüngeren Computer.

Abb. 3: Die C64-Fassung geizt naturgemäß mit Farben

Anders als die Spiele von Magnetic Scrolls ist der Parser nicht immer sehr entgegenkommend. Er hört auf Zwei-Wort-Sätze und ist oft wählerisch, die richtige Idee führt nicht immer sofort zum Erfolg. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn der größte Stressfaktor klassischer Adventures fällt weg: Obwohl The Curse of Rabenstein ein Horror-Adventure ist, kann man in diesem Spiel nicht sterben. Das macht es auch überflüssig, ständig Spielstände zu sichern, was besonders auf 8-Bit-Systemen viel Zeit in Anspruch nimmt.

Abb. 4: Am besten kommen die Bilder auf dem TED-Chip des Plus/4 zur Geltung.

Auch wenn das Spiel nicht allzu groß dimensioniert ist, sollte man nicht damit rechnen, es schnell durchspielen zu können. Die Rätsel sind, soweit das im Test zu beurteilen war, lösbar, aber nicht ohne Mühe. Sackgassen, das verspricht der Autor, gibt es keine.

The Curse of Rabenstein gibt es für alle genannten Systeme in einer schön aufgemachten Box. Wer sich mit einer rein digitalen Version begnügt, darf das Spiel auf der unten genannten Webseite kostenlos herunterladen oder einen Preis nach eigenem Ermessen festlegen.

Links

Seite des Spiels

https://8bitgames.itch.io/rabenstein

Puddle Software

http://puddlesoft.net

Collector’s Edition:

https://www.polyplay.xyz/navi.php?qs=Rabenstein

Spielen im Home Office

Als Vorschau auf die 60. Ausgabe von Lotek64 stellen wir in einer Zeit, in der viele aufgrund der Covid-19/Corona-Pandemie von zu Hause aus arbeiten und mehr Zeit als gewöhnlich in ihren eigenen vier Wänden verbringen, einige Spiele aus Lotek64 #60 vor, die in einigen Tagen erscheinen wird.

— von Georg Fuchs

Doc Cosmos (C64)

In Ausgabe #59 berichteten wir im Newsticker von einem kostenlosen, 16 kB kleinen C64-Spiel namens Doc Cosmos. Es wurde im März 2019 im Rahmen der RGCD C64 16KB Cartridge Competition veröffentlicht und erhielt vom Magazin Freeze64 den Titel „Game of the Year“. Ist es wirklich so gut?

Der erste Bildschirm von Doc Cosmos

Doc Cosmos ist auf den ersten Blick ein simples Action-Adventure in einem futuristischen Szenario. Der Held des Spiels landet zu Beginn mit einem kleinen Raumschiff auf einem Planeten, um ein außerirdisches Gerät zu bergen. Dieses Gerät erlaubt es, Zeitreisen zu unternehmen. Das Gerät fällt bereits kurz nach Spielstart in die Hände von Doc Cosmos, der nun allerdings aus einem unterirdischen Höhlenkomplex entkommen muss.

Das Spiel wurde vom Briten Simon Jameson im Alleingang nach einem bekannten und bewährten Rezept gekocht: Männchen läuft durch Gänge, springt über Abgründe und stößt auf verschlossene Türen, die mit farblich passenden Schlüsseln geöffnet werden müssen. Natürlich gibt es auch verschiedene außerirdische Lebensformen, denen man ausweichen muss.

Die Besonderheit von Doc Cosmos ist eine Spielemechanik, die es ermöglicht, per Feuerknopf zwischen zwei Zeitebenen umzuschalten. Durch Berührung bestimmter Kontrollpunkte wird Doc Cosmos ins Jahr 1982 zurückgeworfen, was sich nicht nur durch eine viel einfachere Grafik ausdrückt, sondern auch deutlich weitere Sprünge ermöglicht. Dieser Zeitsprung erinnert an den Indie-Platformer „The Messenger“ aus dem Jahr 2018.

Vermutlich war der Strichmännchen-Doc in jungen Jahren noch beweglicher und athletischer. Allerdings sind die Sprünge in der Gegenwart besser kontrollierbar, auch während eines Sprungs sind Richtungsänderungen möglich. Auch die Musik ist von der Zeitreise betroffen: In der Gegenwart gibt es ein mehrstimmiges SID-Stück zu hören, die in der Vergangenheit zu einer einstimmigen Melodie verkümmert, die so klingt wie typische Spiele-Soundtracks aus den frühesten Tagen des C64.

Ein Abschnitt in der Gegenwart…
…und in der pixeligeren Vergangenheit. Diese Stelle kann nur in der Vergangenheit bewältigt werden, weil der 80er-Doc weiter springen kann.

Das ist nicht alles: Manche Türen und unüberwindliche Hürden in den Räumen existierten in dieser Zeit noch nicht, weshalb ein Umschalten der Zeitebene manchmal notwendig ist, um den nächsten Raum zu erreichen. Dafür sind in der Vergangenheit in vielen Räumen Leitern vorhanden, die später verschwunden sind.

Das Springen zwischen den Zeiten verbraucht allerdings Energie, die nur an bestimmten Punkten wieder aufgeladen werden kann. Ohne nachzuladen kann dreimal umgeschaltet werden, danach muss wieder eine Ladestation aufgesucht werden. Durch den labyrinthartigen Aufbau des unterirdischen Komplexes vergeht einige Zeit, bis Doc Cosmos den Ausgang erreichen kann. Zeitlimit gibt dabei übrigens keines. Das Spiel hat einen sehr fairen Schwierigkeitsgrad, ist aber nicht sofort zu lösen.

Schlüssel werden durch bloße Berührung aufgesammelt. Die Steuerung ist sehr reaktionsschnell und genau. Doc Cosmos fühlt sich einfach gut an: Steuerung, Geschwindigkeit, Spielfluss stimmen genau, was bei vielen ansonsten gelungenen C64-Titeln leider nicht der Fall ist. Auch die Größe ist trotz der Beschränkung auf 16 kB beachtlich: Das Spiel umfasst nicht weniger als 47 Räume, von denen alle in doppelter Ausführung – Gegenwart und Vergangenheit – vorhanden sind.

Das Gewässer rechts unten kann nur in der Gegenwart (oben) überquert werden, weil in der Vergangenheit (unten) die Brücke noch nicht existierte.

Doc Cosmos ist ein bemerkenswertes und überraschendes C64-Spiel, das ich zu den besten Titeln der jüngeren Vergangenheit zähle. Ein Nachfolgetitel ist bereits in Arbeit.

Download

Kostenlos oder gegen Spende

Version mit Trainer

Buntes Haus statt grauer Maus:
The Rocky Horror Show (C64), US-Version

Der vor 45 Jahren erschienene Film rund um den „sweet transvestite from Transsexual, Transylvania“ hat bis heute eine riesige Fangemeinde. Das Computerspiel zur Rocky Horror (Picture) Show ist vielen C64-Usern bekannt, auch wenn es bei Weitem nicht denselben Kultstatus genießt. Dass es eine grafisch viel schönere US-Fassung gibt, war den meisten europäischen Usern bis vor kurzem nicht bekannt. Im Juli 2019 veröffentlichte die Gruppe Laxity eine Version, die wir unter die Lupe genommen haben – „I see you shiver with anticipation“, würde Frank-N-Furter sagen.

Brad und Janet, ein frisch verheiratetes Paar, haben mitten in der Nacht in einer einsamen Gegend eine Autopanne. In einem nahegelegenen Schloss hoffen die beiden ein Telefon zu finden, um Hilfe holen zu können. So beginnt der Film aus dem Jahr 1975, dem ein Musical von Richard O‘Brien aus dem Jahr 1973 zugrunde liegt.

Alles wurde bunt

Die bekannte C64-Fassung des Spiels, von dem auch Versionen für Sinclair ZX Spectrum, Apple II und Amstrad CPC existieren, wurde 1985 vom britischen Softwarehaus CRL Group veröffentlicht. Grafik und Musik sind der Zeit entsprechend brauchbar, aber nicht herausragend. Dem Soundtrack gelingt es zwar, Musik aus dem Film so wiederzugeben, dass man sie sofort wiedererkennt und mitsingen möchte: Let’s do the time warp again! Wirklich gute SID-Musik wird aber nicht geboten. Die Grafik kann als zweckmäßig bezeichnet werden. Die Animation der Sprites wirkt etwas unbeholfen, aber die Hintergründe sind durchaus gelungen und stimmungsvoll. Allerdings sind sie monochrom, auch wenn den Räumen unterschiedliche Farben verpasst wurden. Wie so oft bei britischen Spielen in der 8-Bit-Ära wurde einfach die Spectrum-Version, die die höchsten Verkaufszahlen versprach, auf andere Systeme portiert, ohne deren technische Möglichkeiten auszuschöpfen. Die Firma CRL, eher für Spiele von zweifelhaftem Ruf bekannt (Ausnahmen bestätigen die Regel), ging nach diesem Muster vor. Paul Andrew Stoddart, Programmierer des C64-Spiels, erinnert sich, dass CRL auf eine schnelle Konvertierung drängte und deshalb keine Zeit blieb, um dem Spiel mehr Farben zu spendieren, obwohl es technisch problemlos möglich gewesen wäre. Stattdessen wurden die Spectrum-Grafiken direkt auf den C64 übertragen.

Die ursprüngliche Version des Spiels mit ihrer spartanischen Grafik war zu farblos für US-Spieler.
Die US-Version der Rocky Horror Show setzte auf die Macht der Farbpalette.

Als Activision das Spiel später auf dem US-Markt veröffentlichen wollte, wurde die schnöde Spectrum-Optik zum Problem. Deshalb wurde ein Grafiker, John Law, engagiert, der prächtigere Hintergründe pixelte, was natürlich zulasten der Auflösung ging. Erwartungsgemäß wurde nun der Speicherplatz knapp, es musste also auch noch der Code optimiert werden. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Neben schöneren, bunten Hintergrundbildern wurde auch die Kollisionsabfrage deutlich verbessert. In der Urfassung waren etwa Aufzüge und Leitern immer ein Problem, da sie pixelgenau angesteuert werden mussten.

Von Rocky Horror Show existiert darüber hinaus eine dritte, selten anzutreffende C128-Version. Es handelt sich dabei um eines der raren Spiele, die tatsächlich in der C128-Version ein bisschen mehr bieten. Sie basiert auf der US-C64-Fassung, enthält aber noch weitere Verbesserungen der Grafik und eine auf dem C64 nicht enthaltene Intro-Sequenz, in der man das Haus betritt. Alle drei Fassungen liegen übrigens von Anfang an vollständig im Speicher, nachgeladen wird nicht.

Ablauf des Spiels

Im Spiel kann man kann entweder die Rolle von Brad oder Janet übernehmen. Das geschieht mit den Tasten B und J, für den Rest des Spiels genügt ein Joystick. Wahlweise kann mit der Tastatur gespielt werden. In ca. 25 Minuten muss das Spiel gelöst werden. Dafür müssen in der bizarren Villa, die etwa 15 Räume umfasst, alle Teile einer Maschine gefunden werden. Da Brad und Janet nur ein Element der Maschine auf einmal tragen können, muss ein Stück nach dem anderen gefunden und zu einem bestimmten Raum getragen werden. Manche Türen sind verschlossen und lassen sich erst öffnen, wenn der passende Schlüssel gefunden wurde.

„When in just seven days… oh baby, I can make you a man.“

Im Haus begegnen uns ständig verschiedene Charaktere, die wir aus dem Film bzw. dem Musical kennen: der Butler Riff-Raff, dessen Schwester Magenta, die gut gelaunte Columbia, Dr. Frank-N-Furter, sein Geschöpf Rocky Horror und dessen verunglückter Vorgänger Eddie. Berührt man eine dieser Persönlichkeiten, führt dies zum Diebstahl der Kleidung, die an einer zufälligen Stelle im Haus abgelegt wird. Bis man sie gefunden hat, laufen unser Brad oder unsere Janet nackt herum und brauchen ihre Hände, um sich schamhaft zu bedecken. In dieser Zeit können keine Maschinenteile eingesammelt werden, es geht also wertvolle Zeit verloren. Außerdem gibt es Charaktere, die uns per Laser direkt ins Jenseits befördern. Der Laxity-Trainer erlaubt es (neben einer Reihe weiterer Erleichterungen), die Kleidersuche auszuschalten. Damit verliert das Spiel seinen frustrierendsten Aspekt.

It’s just a jump to the left

Keine Erleichterung, sondern ein Bugfix ist die im Trainer vorgesehene Option, Brad oder Janet links oder rechts am Bildschirm zu platzieren. Das ist hilfreich, wenn die Figur steckengeblieben ist, was gar nicht so selten vorkommt. Beim Testspiel ist meine Janet einmal im Lift steckengeblieben, ohne dass ich sie wieder befreien konnte. Die Slowdowns im Spiel sind übrigens in allen Versionen vorhanden, wobei sich die monochrome Urfassung noch am schnellsten anfühlt.

Da man nur ein Leben und ein Zeitlimit hat, kann man sich nicht viele Fehler erlauben. Ohne Trainer ist das Spiel nur mit viel Geduld zu schlagen.

Die C128-Version entspricht grafisch der US-C64-Fassung, hat aber einige kleine Extras zu bieten wie diesen Bildschirm.

Fazit

Die US-Version ist wesentlich schöner als die alte PAL-Fassung und hat auf jeden Fall einen Versuch verdient. Die schönere Optik kann aber nicht allzu lange darüber hinwegtäuschen, dass The Rocky Horror Show ein mittelmäßiges Spiel ist, dessen Anziehungskraft sich nicht mit jener des Films messen kann. Ungeachtet dessen ist es sehr erfreulich, dass diese Fassung des Spiels nach 35 Jahren endlich gefunden und in einer ansprechenden Version veröffentlicht wurde.

The Rocky Horror Show +7SDF [us version]

100 % vegan: Vegetables Deluxe (C64)

Mit Vegetables Deluxe ist eine verbesserte Version des Anfang 2019 erschienenen Puzzlespiels Vegetables erschienen. Für den Programmierer war es sein erstes C64-Projekt seit 25 Jahren und sein allererster Gehversuch in C64-Assembler. Lotek64 hat die Modul-Version getestet, die Klemens Franz gespendet hat.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Vegetables, veröffentlicht Anfang 2019, wurde vom Briten Mike Richmond geschrieben, der in den frühen 90er-Jahren einige Spiele für den Amiga veröffentlichte. Es ist sein erstes C64-Spiel und sein erstes Assemblerprogramm auf dieser Plattform. Auch Grafik und Musik setzte er um, lediglich den Titelbildschirm pixelte ein gewisser Andre Cashmore. Die Deluxe-Version erschien im Herbst und ist im Gegensatz zur ersten Fassung ein kostenpflichtiger Titel.

In Vegetables geht es darum, drei Gemüse-Sprites derselben Gattung in einer senkrechten oder waagrechten Reihe anzuordnen. Das ist weder ein neues noch ein besonders originelles Spielprinzip, macht aber auch auf dem Commodore 64 erstaunlich viel Spaß. Bei Vegetables sind es Gemüsesorten, die auf Linie gebracht werden sollen, und zwar auf einem 8 x 8 Felder großen Spielbereich. Anfangs sind die Felder mit Gemüse unterschiedlicher Sorten gefüllt. Durch das Vertauschen zweier benachbarter Felder (rechts-links oder oben-unten) können nun die Gemüsekästchen ihre Position wechseln. Dies ist nur möglich, wenn danach mindestens drei gleiche Sorten in einer Linie liegen, wodurch sie sich in Luft auflösen und sämtliche oberhalb liegenden Sprites ein Feld nach unten rutschen.

Die Deluxe-Version sieht viel imposanter aus als die Classic-Fassung (unten)
Vegetables Classic gibt es kostenlos.

Um die Sache schwieriger zu machen, werden immer wieder Ziegelsteine unter die „nachrückenden“ Sprites gemischt, die nicht mit Gemüsefeldern ihren Platz tauschen können. Dadurch wird der Spielraum immer weiter eingeschränkt. Wenn drei dieser Ziegel in einer Linie zu liegen kommen, fallen sie ebenfalls weg. Das ist aber ungleich schwerer als beim Gemüse, da die Ziegel nicht mit den Nachbarfeldern getauscht werden können. So kommt es früher oder später dazu, dass keine Tausch-Aktion mehr möglich ist. Dann ist entweder das Spiel beendet oder man hat noch ein Reshuffle, eine Neuanordnung der Gemüsesprites, auf Lager.

Kommen vier gleiche Gemüsesprites in einer Reihe oder Spalte zu liegen, wird diese vollständig gelöscht (inklusive Ziegelsteine) und es kommt mehr Bewegung ins Spiel. Bei fünf Exemplaren gibt es sogar ein Reshuffle, was einem Extraleben gleichkommt. Das bedeutet nämlich, dass sämtliche Sprites neu angeordnet werden und die Ziegelsteine gelöscht werden, sobald kein Zug mehr möglich ist.

Entspanntes Spielen

Vegetables Deluxe bietet mehr Abwechslung als die Urfassung. Neben zwei Schwierigkeitsgraden, die sich in der Anzahl der Ziegelsteine ausdrücken, die auf das Spielfeld fallen, gibt es den Modus „Shopping“, bei dem eine vorgegebene Anzahl aller Gemüsesorten beseitigt werden muss, sowie den brutal schwierigen Countdown-Modus, bei dem es für jeden Spielzug ein knappes Zeitlimit gibt. Dieser Modus ist der einzige, bei dem das Spiel nicht kontemplativ-entspannt abläuft, sondern eher Stress als Vergnügen auslöst. Ein Zeitlimit gibt es in den anderen Modi nicht, es wird bei längerer Untätigkeit lediglich durch ein unauffälliges optisches Signal angezeigt, welche Sprites sich tauschen lassen.

Das schnelle Spiel im Countdown-Modus, und damit kommen wir schon zu den beiden kleinen Kritikpunkten, wird durch die etwas schwerfällige Joystickabfrage zusätzlich erschwert. Hier gibt es keinen spürbaren Unterschied zur Standard-Version. Das Spielprinzip eignet sich zwar grundsätzlich für eine Steuerung per Joystick ebenso wie per Maus (oder auch per Finger am Touchscreen), jedoch ist mit dem guten alten Knüppel kein rasantes Spiel, wie es in der beiliegenden mausgesteuerten Amiga-Version möglich ist, zu bewältigen.

Der Countdown-Modus

Manchmal fällt der C64 beim Spielen von Vegetables in eine kurze Starre. Das geschieht immer dann, wenn der Computer keinen weiteren möglichen Spielzug mehr entdecken kann und deshalb ein Reshuffle durchführt oder, sollten alle verbraucht sein, die Game-Over-Meldung ausgibt. Offenbar braucht es relativ lange, bis das Programm das gesamte Spielfeld auf noch mögliche Züge überprüft hat. Das stört nicht wirklich, sondern ist eher eine Erinnerung, dass dieses Programm auf beinahe 40 Jahre alter Hardware läuft.

Musikalisch wird nicht wahnsinnig viel geboten. Die Soundeffekte bleiben weit unter den Möglichkeiten des SID, die Musik ebenso. Es ist ratsam, beim Spiel bei den Geräuschen zu bleiben und nicht die Musik laufen zu lassen.

Die Deluxe-Version hat nicht nur eine viel schönere Grafik als die kostenlose Standardversion, sie enthält auch neue Spielmodi und kann in eindrucksvoll gestalteten Varianten käuflich erworben werden. Auf der Diskette liegt die ältere Fassung des Spiels als Zugabe bei, zusätzlich gibt es als Bonus eine Betaversion für den Amiga, die zwar optisch nicht überwältigt, aber spielerisch noch mehr überzeugt als die C64-Fassung. In der Amiga-Fassung gibt es übrigens einen Bug: Spielt man im Shopping-Modus und beendet ein Level zufällig mit einem Zug, nach dem kein weiterer mehr möglich ist, gibt es entweder ein Reshuffle oder das Spiel ist beendet, obwohl das Ziel erreicht wurde. Das Programm fragt offenbar zuerst ab, ob noch Züge möglich sind, und erst danach, ob ein Level beendet wurde. Das macht einen großen Unterschied, denn im Shopping-Modus wird das Spielfeld durch Reshuffle neu angeordnet, wenn ein Ziel erreicht wurde. Ob dieser Fehler auch in der C64-Version existiert, kann hier nicht beantwortet werden.

Die Amiga-Version spielt sich sehr gut.

Fazit

Vegetables Deluxe ist ein gelungenes Spiel, das trotz (oder wegen) seines einfachen Spielprinzips so viel Spaß macht, dass man nach jedem Game Over gerne noch eine weitere Runde einlegt. Die mangelnde Routine des Programmierers macht sich an einzelnen Details bemerkbar, dennoch ist Vegetables Deluxe ein C64-Spiel, dem man gerne ein bisschen Lebenszeit opfert.

Vegetables Deluxe kaufen

Die Standard-Version von Vegetables kann kostenlos bzw. gegen eine Spende in beliebiger Höhe heruntergeladen werden. Die Deluxe-Fassung gibt es bei Doublesided Games und bei Psytronik in unterschiedlichen Ausführungen (digitaler Download, Kassette, Disk, Modul) in unterschiedlichen Preisklassen zwischen umgerechnet ca. 4,50 und 28 Euro.

Vegetables Deluxe bei Psytronik

Vegetables Deluxe bei Doublesided Games

C64-Spiele für den Sommer

Als Vorschau auf die 59. Ausgabe von Lotek64 stellen wir einige alte und neue Veröffentlichungen für den Commodore 64 vor. Ausführlichere Versionen und weitere Spiele gibt es in Lotek64 #59.

— von Georg Fuchs

Frantic Freddie 2 (C64)

Im April erschien ein Remake des C64-Klassikers Frantic Freddie aus dem Jahr 1983. Mit generalüberholter Grafik und Musik sowie neuen Levels ist das einfache, aber äußerst erfrischend spielbare Frantic Freddie 2 eine positive Überraschung für Fans solider Joystickakrobatik.

Das von Lode Runner inspirierte Original wurde 1983 von einer Firma namens Commercial Data Systems veröffentlicht, deren bekanntester C64-Titel der Schachcomputer Colossus Chess war. Seltsamerweise tritt der Programmierer von Frantic Freddie, Kris Hatlelid, danach nur noch ein einziges Mal als C64-Coder in Erscheinung, und das mit einem beträchtlichen zeitlichen Abstand: 1989 ist er Teil des Teams, das Test Drive II – The Duel auf den C64 bringt. Als SID-Musiker hat er Spuren hinterlassen: Die C64-Versionen von Castlevania, Grand Prix Circuit, Metal Gear, Teenage Mutant Ninja Turtles, Wings of Fury und einige weitere mehr oder weniger bekannte Spiele verdanken ihm ihren Soundtrack. Die ebenfalls an Frantic Freddie beteiligten Coder Gregor und Brian Larson hingegen scheinen an keinen weiteren kommerziellen C64-Veröffentlichungen mehr beteiligt gewesen zu sein. Dafür veröffentlichte das Trio Hatlelid-Larson-Larson 1983 eine Instrumental-Coverversion des Queen-Songs Crazy Little Thing Called Love.

Schwer zu schlagen

Frantic Freddie läuft auf statischen Bildschirmen über Plattformen, die von Leitern unterbrochen sind. Diese stellen gleichzeitig Hindernisse dar und können nicht einfach durchlaufen werden. Will man also an einer Aufstiegsstelle vorbei, muss man zuerst hinauf- und dann auf der anderen Seite wieder hinunterklettern. Das gibt den verschiedenen Monstern, die sich auf die Jagd nach Freddie gemacht haben, viel Zeit, um sich gefährlich anzunähern. Freddie muss mit Gold gefüllte Töpfe einsammeln, die an verschiedenen Stellen des Bildschirms platziert wurden.

Hat sich Freddie alle Goldtöpfe geschnappt, geht es mit dem nächsten Bildschirm weiter und das Vergnügen geht von vorne los. Der Schwierigkeitsgrad steigt dabei stetig an. Wie bei Pac-Man, der offensichtlich bei der Gestaltung des Covers der ersten auf Datassette veröffentlichten Auflage des Spiels Pate gestanden hat, gibt es zusätzlich Bonusobjekte, die über den Bildschirm sausen und bei Berührung zur Erhöhung der Punktezahl eingesammelt werden können.

Zwischen den Levels gibt es immer wieder cartoonartige Zwischensequenzen, die für ein richtiges Arcade-Feeling sorgen. Frantic Freddie ist grafisch sehr einfach gehalten. Auch der Soundtrack ist nicht an modernen SID-Standards zu messen, doch er ist abwechslungsreich und bietet in jedem Level eine neue Melodie. Zu hören sind Ragtime-Kompositionen von Scott Joplin, eine Variation der Fünften von Beethoven, Queen, ELO und Paul Simon. Ob diese Melodien alle auf legale Weise verwurstet wurden oder ob es den Rechtinhabern einfach entgangen ist, ist eine Frage, die sich damals wohl die wenigsten gestellt haben.

Trotz der einfachen Aufmachung gilt Frantic Freddie als C64-Klassiker, der allerdings aufgrund des hohen Schwierigkeitsgrades den einen oder anderen Spieler frustriert. Ohne Übung und Geduld scheitert man schnell.

Remake überrascht

35 Jahre nach Veröffentlichung des Originals ist am 27. April 2019 Frantic Freddie II erschienen. Seit Sommer 2017 wurde an Frantic Freddie II gearbeitet. Für den Code zuständig war Dan Hotop, Grafik und Musik stammen von nm156 und zusätzliche Grafik besorgte John Henderson.

Ob es eher eine Fortsetzung oder ein Remake ist, ist nebensächlich. Das Spiel ist grafisch aufpoliert, bleibt aber dem einfachen Stil des Klassikers treu. Musikalisch wurde Frantic Freddie II ebenfalls generalüberholt. Die neuen Melodien sind wesentlich besser umgesetzt als im Original und hören sich wirklich gut an. Von ABBA bis Black Sabbath sind wieder viele bekannte Melodien vertreten. Damit es durch verschiedene Versionen des SID-Chips zu keinem unangenehmen Hörerlebnis kommt, gibt es bei Spielstart die Möglichkeit, aus drei Settings das passende zu wählen.

Frantic Freddie II begnügt sich nicht damit, das alte Spiel mit neuen Melodien, Sprites und Leveldesigns zu versehen. Große Teile des Codes wurden neu geschrieben. So kann Freddie nun, wenn er von einem Monster erwischt wird und in den Abgrund stürzt, noch alle Töpfe einsammeln, die er im freien Fall berührt. Das ist in späteren Levels eine unschätzbare Erleichterung, da einem, wenn man auf diese Weise den letzten Topf abräumt, sogar der Verlust eines Lebens erspart bleibt. Das wurde laut Programmierer absichtlich so umgesetzt, um den Frustfaktor des nach wie vor äußerst schwierigen Spiels zu verringern.

Neben einer Vielzahl an Melodien gibt es bei Frantic Freddie II nicht weniger als acht Zwischensequenzen. Das neue Spiel hat auch ein richtiges Ende, um geduldige Spieler zu belohnen. Der einzige Kritikpunkt: Manchmal scheint sich Freddie bei Leitern nicht so präzise steuern zu lassen wie im Original. Dafür bewegen sich die Monster nun in komplexeren Bahnen, was sie noch unberechenbarer werden lässt. Im Remake hat Geschicklichkeit also einen etwas höheren Stellenwert als die Taktik.

Wer vom Schwierigkeitsgrad überfordert ist, findet im Netz auch einen Trainer von Triad. Darüber hinaus gibt es eine C128-Version, die sich durch kürzere Ladezeit, eine automatische Erkennung des SID-Typs und einen schnelleren Bildschirmaufbau auszeichnet.

Fans präziser, harter Joystickarbeit werden ihre Freude an diesem Spiel haben.

Download Frantic Freddie II

Download C128-Version


Super Mario Bros. 64

Super Mario ist nach jahrelanger Arbeit auf dem C64 gelandet – und wurde von Nintendos Rechtsabteilung schneller aus dem Verkehr gezogen, als wir „Giana Sisters“ sagen konnten. Lotek64 hat einen Blick auf die C64-Fassung von Super Mario Bros. geworfen, einer programmiertechnischen Leistung, die für viel Aufsehen gesorgt hat.

Seit 2012 arbeitete der Coder, der sich Zeropaige nennt, an der Portierung von Super Mario Bros. auf den Commodore 64. Nein, es geht nicht um ein Spiel wie das von Nintendo umgehend aus dem Verkehr gezogene The Great Giana Sisters von Rainbow Arts, das den Spielablauf und das „Look and Feel“ möglichst befriedigend nachahmt. Es geht um nicht weniger als eine möglichst exakte Umsetzung des 1985 erstmals in Japan veröffentlichten Spieleklassikers Super Mario Bros. für die Famicom-Konsole, die mit einigen Änderungen außerhalb Japans als NES (Nintendo Entertainment System) vertrieben wurde. Am 18. April 2019 legte Zeropaige das Ergebnis vor.

Die C64-Umsetzung enthält sowohl die europäische PAL-Version des Spiels als auch die in Japan und den USA veröffentlichte Originalfassung. Bei Spielstart wird automatisch festgestellt, ob es sich um einen PAL- oder NTSC-C64 handelt. Darüber hinaus werden drei SID-Versionen erkannt und unterstützt, es gibt aber auch Support für zwei SIDs und für diverse Turbokarten. Auch der C128 wird unterstützt, da dessen 2-MHz-Modus genutzt wird.

Im Startmenü kann ausgewählt werden, ob man die Originalfassung oder den europäische Release spielen will. Die Originalfassung läuft selbst auf PAL-Rechnern in der korrekten Geschwindigkeit, auch die Musik ist nicht verzerrt. Das hat den Vorteil, dass man ohne das eine oder andere Ruckeln spielen kann, denn die europäische Version führt auf einem unbeschleunigten PAL-C64 unvermeidlich zu kleinen Verzögerungen, da die Hardware nicht immer mithalten kann. Der Grund dafür ist die schnellere Taktung des NES-Prozessors, des auf dem MOS 6502 basierenden Ricoh 2A07, der mit 1,77 MHz getaktet ist (NTSC: Ricoh 2A03, 1,70 MHz).

Die Grafik- und Soundhardware der beiden Systeme unterscheidet sich grundlegend. Während der VIC II des C64 im Multi-Color-Modus 160×200 Pixel darstellen kann und die Farbpalette auf insgesamt 16 Farben beschränkt ist, kann der PAL-Grafikchip des NES 256×240 Bildpunkte darstellen und dabei auf 16 von 48 Farben zurückgreifen. Statt acht unterstützt die NES-Hardware 48 Sprites. Die fünf Soundkanäle sind beim NES in die CPU integriert und durchaus leistungsfähig, wie zahlreiche musikalische Meisterwerke belegen, die auf NES-Hardware geschaffen wurden. Dass der SID des C64 ein hervorragender Soundchip ist, muss hier nicht hervorgehoben werden. Aber ist er auch in der Lage, Super Mario Bros. so klingen zu lassen, dass es dem Original nahekommt?

Ein Testspiel

Ich wage ein Testspiel. Dazu greife ich zu einem Competition Pro, den beliebtesten C64-Joystick. Super Mario Bros. 64 kann auch mit 2-Button-Sticks wie dem C64GS-Stick gespielt werden, ein solcher steht mir aber nicht zur Verfügung. Im Multiplayer-Modus steuert der zweite Spieler Luigi. Sprünge werden mit einem normalen Ein-Button-Stick durch eine Bewegung nach oben durchgeführt, so wie bei vielen anderen Jump’n’Run-Spielen auf dem C64 (Wonder Boy, Turrican, Giana Sisters…). Auch die Schwimm-Passagen werden so gemeistert. Der Feuerknopf dient zum Schießen, falls das Upgrade aktiv ist, und zum schnelleren Laufen, wenn er länger gedrückt bleibt. Ein Umstecken des Joysticks ist übrigens nicht nötig, da die Belegung per Funktionstaste getauscht werden kann. Auch die Lautstärke kann per Tastatur reguliert werden.

Abgesehen von einigen kleinen Details, die aufgrund der unterschiedlichen Hardware unvermeidlich sind, läuft Super Mario 64 erstaunlich rund und originalgetreu. Der Spielablauf entspricht erwartungsgemäß dem Original, das als bekannt vorausgesetzt werden darf. Sogar die berühmte „Minus World“ ist enthalten. Die Grafik sieht der NES-Vorlage erstaunlich ähnlich, trotz der Einschränkungen der Farbpalette. Hervorragend ist auch die musikalische Umsetzung, die nur im direkten Vergleich von der NES-Version zu unterscheiden ist.

Auf dem C128 läuft das Spiel übrigens spürbar flüssiger, ein solcher ist leichter zu finden (bzw. zu emulieren) als eine SuperCPU, die aber neben weiteren Turbokarten unterstützt wird.

Nintendo ist nicht erfreut

Der Release rief schon nach wenigen Tagen die Rechtsabteilung von Nintendo auf den Plan. Wie Lars Sobiraj am 25. April auf tarnkappe.de berichtete, wurden die Image-Files bereits nach weniger als einer Woche von den meisten Hostern entfernt, weil Nintendo sie zur Löschung der Daten aufgefordert hat. Dass Nintendo kein Interesse daran hat, seine Produkte als kostenlose Titel auf diversen Plattformen wiederzufinden, liegt auf der Hand. Schließlich wird mit alten Spielen gutes Geld gemacht. Der japanische Spielekonzern geht nicht nur gegen unlizenzierte Veröffentlichungen äußerst restriktiv vor, sondern auch gegen YouTuber, die in ihren Videos erklären, wie z.B. Homebrew-Spiele auf Nintendo-Hardware gebracht werden können. So wurden zuletzt gleich vier Videos entfernt, weil darin angeblich gegen Urheberrecht verstoßen wurde. In einem der Videos wurde gezeigt, wie man Spiele für Nintendos N64-Konsole mittels eines Emulators auf der Nintendo Switch spielen kann.

So hat Super Mario Bros. 64 nach wenigen Tagen dasselbe Schicksal ereilt wie einst The Great Giana Sisters – mit dem feinen Unterschied, dass mit dem neuen Port keinerlei kommerzielle Interessen verfolgt wurden. Es sollte lediglich gezeigt werden, dass es technisch möglich ist, Super Mario Bros. auf dem C64 zu spielen, ohne große Abstriche machen zu müssen. Das ist auf beeindruckende Weise gelungen, wie es wohl nur wenige für möglich gehalten hätten. Gleichzeitig hat wieder einmal ein Coder bewiesen, dass der C64 auch am Ende des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts in der Lage ist, uns alle zu überraschen.

Zeropaige hat eines der beliebtesten Spiele aller Zeiten beinahe originalgetreu auf den C64 übertragen und dabei unzählige Schwierigkeiten überwunden. Natürlich gibt es vielfältige Möglichkeiten, Super Mario Bros. legal auf diversen Plattformen zu spielen. Eine solche Portierung, die dem Coder wie dem Commodore 64 alles abverlangt, verfolgt sicher nicht das Ziel, ein Spiel, das die meisten Fans vermutlich weit mehr als nur einmal erworben haben, illegal zugänglich zu machen. Es geht vielmehr um den Beweis der Machbarkeit. Dieser ist erbracht und das verdient höchsten Respekt. Auch wenn das Ergebnis leider nicht legal verteilt werden darf. Hier wiederholt sich die Geschichte vor den Augen mancher nicht mehr ganz junger C64-User, die 1987 mit einem gewissen Spiel von Armin Gessert, Manfred Trenz und Chris Hülsbeck das Spielerlebnis von Super Mario Bros. auf ihrem Heimcomputer nachempfinden wollten.

Zum Artikel von Lars „Ghandy“ Sobiraj

Video-Review:

Rick Dangerous Duology +5DH (C64)

Rick Dangerous ist eines der unterhaltsamsten Jump-‚n‘-Run-Spiele für klassische Computer. Im Juni 2018 erschien eine für EasyFlash-Module vorbereitete Version der Gruppe Excess, die Teil 1 und 2 des Spiels in einem File vereint. Eine gute Gelegenheit, das Spiel wieder einmal auszuprobieren.

Rick Dangerous wurde ursprünglich 1989 von Core Design für Amiga, Atari ST, MS-DOS, Amstrad CPC, Commodore 64 und Sinclair ZX Spectrum veröffentlicht, Rick Dangerous 2 folgte ein Jahr später. Die Titelfigur ist ein Held vom Zuschnitt eines Indiana Jones, der auf der Suche nach Schätzen ägyptische und mesoamerikanische Pyramiden ebenso erforscht wie Raketensilos und futuristische Städte. Dabei ist er selbstverständlich allerlei Gefahren ausgesetzt.

Die C64-Version des Spiels habe ich nie zuvor gesehen, ich habe Rick Dangerous in den frühen 90er-Jahren auf dem Amiga oft und gerne gespielt. Mein erster Eindruck beim Ausprobieren der C64-Version war, dass sie der 16-Bit-Version nicht viel schuldig bleibt und ebenso gut spielbar ist. Grafisch gibt es keine wesentlichen Unterschiede, auch wenn die Amiga-Fassung naturgemäß eine höhere Auflösung und mehr Farben aufbieten kann. Musik und Soundeffekte klingen auf dem 16-Bit-Computer ebenfalls besser, die SID-Version der wenigen Melodien, die am Beginn des Spiel und jedes neuen Levels erklingen, sind weniger gut umgesetzt und die Effekte während des ohne Hintergrundmusik auskommenden Spiels klingen ausgesprochen dürftig. Der gesampelte Schrei beim Tod des titelgebenden Helden fehlt auf dem C64, was äußerst bedauerlich ist.

Einstudieren statt reagieren

Rick Dangerous ist ein Jump-‚n‘-Run-Spiel klassischen Zuschnitts, bei dem ein Bildschirm nach dem anderen durchquert wird. Die Levels sind meist mehrere Screens groß und schalten um, sobald man am Bildschirmrand ankommt. Gescrollt wird nicht. Der Held verfügt nicht nur über einen Stock und eine Schusswaffe, auch Dynamitstangen gehören zu seiner Ausrüstung, um Gegner aufzuhalten oder auszuschalten. Das Dynamit explodiert zeitverzögert, kann also nicht nur zum Sprengen von Fallen und Mauern eingesetzt, sondern mit dem richtigen Timing auch wirkungsvoll gegen Gegner verwendet werden.

Außer dem Stock sind die Waffen nur begrenzt einsetzbar, da von Sprengstoff und Patronen jeweils nur sechs Stück Verfügung stehen. Zum Glück kann hin und wieder in herumstehenden Kisten Nachschub eingesammelt werden. Schießt man versehentlich auf eine Munitionskiste, explodiert diese und es gibt keinen Nachschub.

Da unsere guten alten Joysticks bekanntlich über nur einen Feuerknopf verfügen, ist etwas Arbeit nötig, um Stockbewegungen, Dynamit und alle anderen Abläufe (Springen, Kriechen) flüssig zu beherrschen. Die Steuerung ist aber gut durchdacht und gelingt nach wenigen Versuchen problemlos.

Manche sehen das als Nachteil: Die Levels stecken voller gemeiner Fallen, unverhofft herabfallender Steine, bösartiger Tiere und anderer Gefahren, auf die beim Spiel manchmal gar nichts hinweist. Die einzige Möglichkeit, das Spiel zu bezwingen, ist es also, die gefährlichen Stellen einzustudieren. Wie ich beim Testen bemerkt habe, haben sich die Informationen hartnäckig in meinem Kopf festgesetzt: Mehr als die Hälfte der gefährlichen Stellen aus Teil 1 habe ich auf Anhieb richtig gemeistert, weil ich auch ein Vierteljahrhundert nach der letzten Partie noch den Bewegungsablauf abrufen kann. Rick Dangerous ist also zum Teil mehr Gedächtnisübung als Geschicklichkeitsspiel.

Fortsetzung mit Tücken

Durch die liebevolle Umsetzung und die schöne Grafik hat man schnell das Gefühl, ein besonders edles Programm vor sich zu haben. Die 1990 erschienene Fortsetzung, die einfach den Namen Rick Dangerous 2 trägt, ist noch aufpolierter als Teil 1. Auf den ersten Blick ist es einfach eine Sammlung neuer Levels. Der wichtigste Unterschied ist, dass die fünf Welten beim Spielstart direkt angesteuert werden können. So bleiben ungeduldigeren Spielern die höheren Stufen zumindest nicht komplett verborgen.

Titelmelodie und vor allem die Sounds sind wesentlich besser als im Vorgänger. Doch auch grafisch wurde noch mehr aus dem C64 herausgeholt, das Spiel macht wirklich einen herausragenden optischen Eindruck. Leider wurde das Gameplay nicht im selben Maß verbessert. Das Spiel ist von Anfang an hektisch und es gibt viel mehr unfaire und kaum schaffbare Stellen als im ersten Spiel.

Die auch im ersten Rick Dangerous zu findenden kurzen „Videosequenzen“, die alle Levels einleiten, sind nun größer und können, wie auf den 16-Bittern, per Feuerknopf beschleunigt werden. Das ist praktisch, wenn man die Filmchen schon hundertmal gesehen hat. Zumindest bei C64-Spielen ist das ein untypisches Element, das positiv hervorgehoben werden muss.

Mit der „Rick Dangerous Duology +5DH“ legte die Gruppe Excess vor rund einem Jahr eine EasyFlash-Version vor, die beide Teile ohne Ladezeit, dafür aber mit Anleitung und einem üppigen Trainer ausgestattet, bequem neu erlebbar macht. Für Fans des Genres lohnt es sich garantiert.

Download: Rick Dangerous Duology +5DH


Alleykat (C64/C128)

Andrew Braybrook war Mitte der 80er-Jahre ein Star unter den C64-Spielecodern. Mit Paradroid und Uridium schuf er zwei Klassiker. Auf Uridium folgte der actionreiche Shooter/Racer Alleykat, der nicht an diesen Erfolg anschließen konnte. Ist Alleykat ein unterschätztes Spiel?

In Alleykat fliegt ein kleines Raumschiff eine Reihe von Rennen auf futuristischen Rennstrecken. Dabei geht es nicht darum, andere Raumschiffe zu überholen, sondern verschiedenen Aliens auszuweichen bzw. sie mit der Bordkanone zur Strecke zu bringen. Das gestaltet sich von Runde zu Runde schwieriger und rasanter.

Die Soundeffekte erinnern an Paradroid. Die Grafik ist abwechslungsreich und gut gemacht, wenn auch nicht herausragend. Es gibt verschiedene Geländetypen mit fantasievollen Namen wie „Skulnia“ und „Arborius“. Das Raumschiff kann zwischen einem Gleiter- und einem Kampfmodus umschalten und bei niedriger Geschwindigkeit Loopings durchführen. Im Kampfmodus werden zusätzliche Kanonen ausgefahren, was empfehlenswert ist, wenn viele Gegner am Bildschirm sind. Allerdings geht dabei Geschwindigkeit verloren. Das alles ist hervorragend animiert.

Wichtig ist die Wahl der richtigen Geschwindigkeit und Flughöhe, um nicht mit Hindernissen in der Landschaft und mit Gegnern –gefürchtet ist der aus mehreren Segmenten bestehende Katerkiller – zu kollidieren. Je schneller man fliegt, desto größere Anforderungen an das Reaktionsvermögen werden gestellt. Bei Kollisionen geht Energie verloren, die durch das niedrige Überfliegen von Energiefeldern wieder aufgeladen werden kann. Andernfalls folgt ein Crash, Raumschiff und Rennen sind verloren.

Es gibt einen kooperativen (!) Zwei-Spieler-Modus und auf einem C128 gespielt verwendet Alleykat den 2-MHz-Modus, um mehr Schüsse und einen größeren Katerkiller auf den Bildschirm zu zaubern. Auch wenn es kein richtiger Cheat ist: Wenn man immer am rechten Rand fliegt, können die meisten Strecken mit geringem Risiko bezwungen werden.

Um alle 14 Monate zu überstehen, aus denen im Alleykat-Universum eine Rennsaison besteht, ist es ratsam, nicht zu sehr auf das Einsammeln von Bonuspunkten – unter anderem für das Durchtauchen unter Bögen, das Abschießen vieler Aliens oder eine schnelle Rundenzeit – zu achten, sondern die Runden einfach zu überleben. Das ist Herausforderung genug in diesem unterbewerteten Spiel.

C64-Oldie 01: Dino Eggs (Micro Fun, 1983)

Dino Eggs ist ein erstaunliches Spiel, das C64-Fans zwar nicht gänzlich unbekannt ist, aber selten gebührend gewürdigt wurde. Es erschien bereits im Jahr 1983, zählt also zu den ganz frühen Veröffentlichungen für den Commodore 64.

Der Platformer Dino Eggs Boxwurde zunächst für den Apple II veröffentlicht und danach für C64 und IBM-PC konvertiert. Die Urfassung stammt von David Schroeder, die C64-Umsetzung erledigte Leonard Bertoni, der für eine Handvoll weiterer C64-Spiele verantwortlich zeichnet. Als Publisher fungierte die eher obskure Firma Micro Fun, die mit „The Heist“ und „Death in the Carribean“ (beide 1984) lediglich zwei weitere C64-Titel veröffentlichte.

Dino Eggs passt vollständig in den Speicher des C64, nachgeladen muss also nicht werden. Das Geschehen spielt sich auf einem einzigen Bildschirm auf vier mit Leitern verbundenen Ebenen ab, was aber angesichts des abwechslungsreichen Verlaufs nicht weiter stört.

Im Spiel wird der Zeitreisende „Time Master Tim“ gesteuert, der Sauriereier einsammeln und ins 21. Jahrhundert transportieren muss. Dabei gilt es, mehreren Gefahren auszuweichen. Die Widersacher sind Schlangen, später auch schnellere Spinnen und fliegende Insekten, die Tim bei direktem Kontakt einer „Devolution“ unterwerfen, wodurch er sich in prähistorisches Getier verwandelt. DieLevel 2 furchterregendste Gegnerin ist aber die Dino-Mama, die ihren Nachwuchs schützen will und deshalb versucht, Time Master Tim mit ihren gigantischen Füßen in den Boden zu stampfen. Dabei senkt sich, während der Rest des Sauriers unsichtbar bleibt, der Stampfer von oben über den ganzen Bildschirm, was beeindruckend aussieht und das Spieler-Sprite zu einer schnellen Flucht veranlassen sollte – die übrigens auch über die Bildschirmränder erfolgen kann – läuft Tim links aus dem Bildschirm, kommt er rechts auf der selben Ebene wieder zum Vorschein.

Dino-Mama fürchtet aber Rauch und Flammen, weshalb Tim immer darauf achten muss, erst Holzscheite übereinander zu stapeln und ein Feuer zu entfachen. Selbst wenn der bedrohliche Fuß bereits über Tim schwebt, wird ihn der Saurier sofort zurückziehen, sobald das Feuer brennt. Erst danach kann mit dem Einsammeln der Eier begonnen werden. Ein Feuer brennt nur für begrenzte Zeit, kann aber durch das Nachlegen von Holzscheiten bzw. durch das Überspringen des Feuers mit einem Scheit in der Hand „verlängert“ werden. Die verbleibende Brenndauer wird durch eine Zahl zwischen 1 und 9 angezeigt, die auch beeinflusst, auf welche Weise Tim und andere Kreaturen auf das Feuer reagieren (nur sie Stufen 1 und 9 erlauben es etwa, durch das Feuer zu laufen, ohne Tim zu verbrennen) bzw. mit welchen Techniken die Brenndauer verlängeTime Warprt werden kann. Mittels Steinen kann ein Feuer auch gelöscht werden. Die Steine können aber sinnvoller eingesetzt werden, um sich lästiger Widersacher zu entledigen. Fortgeschrittene Spieler können sich übrigens auch ohne das schützende Feuer dem Einsammeln der Eier widmen.

Brennt ein Feuer, kommt es immer wieder vor, dass durch die Wärme Babysaurier schlüpfen. Diese müssen geschützt werden, indem neben ihnen ein Kraftfeld errichtet wird. Mit einem Sprung über dieses Kraftfeld werden kleine Saurier in Sicherheit gebracht. Damit sollte man nicht lange warten, da für sie eine Begegnung mit den urzeitlichen Räubern ebenso tödlich ist wie direkter Kontakt mit Feuer oder Tim selbst.

Die neun Levels des Spiels können auch beendet werden, ohne ein einziges Ei gesammelt zu haben, was allerdings auf Kosten des Punktekontos geht. Im letzten Level wird der Schwierigkeitsgrad erhöht, indem zwei Feuer nötig werden, um Dino-Mama fernzuhalten, und das bei stark verringerten Holzvorräten am Bildschirm. Wird die Stufe dennoch abgeschlossen, startet sie immer wieder von neuem.

Während Musik fehlt und die Geräuschkulisse in jeder Hinsicht sehr einfach gehalten ist, bietet das Spiel in Anbetracht des frühen Erscheinungsjahres grafisch einiges: Die Sprites sind nett gezeichnet, der riesige Saurierfuß ist ein großartige Überraschung undDevolution der schmale obere Bildschirmrand wird für eine atmosphärische Landschaftsdarstellung genutzt, die sich im Laufe des Spiels verändert. Die Steuerung ist vorbildlich, bedenkt man, wie viele unterschiedliche Aktionen lediglich mit Steuerknüppel und einem Feuerknopf ausgeführt werden können. Eine taktische Feinheit besteht etwa darin, beim Herunterklettern von Leitern den Feuerknopf zu drücken, wodurch sich Tim fallen lässt und somit schneller bewegt.

Obwohl sich Dino Eggs auf nur einem Bildschirm abspielt, sorgen die vielen verschiedenen Spielelemente für genügend Abwechslung. Der Schwierigkeitsgrad steigt an, ohne für Frustration zu sorgen. Die Steuerung ist intuitiv, das Spiel schnell zu erlernen. 1983 war es in jeder Hinsicht auf der Höhe der Zeit. Es gehört zu jenen Spielen, die wiederSmashedzuentdecken sich nach über 30 Jahren lohnt. David Schroeder arbeitet übrigens an einem Remake für Windows.

Links: