Späte Rache: Outrage (C64)

Spiele-Review und Interview mit Outrage-Coder Bernd Buchegger

Mit Outrage ist im Dezember 2020 ein herausragendes Actionspiel für den C64 erschienen. Beinahe unglaublich ist die Geschichte dahinter, denn es dauerte 30 Jahre, bis es sein Publikum endlich erreicht hatte. Wir haben uns das Spiel angesehen und mit Bernd Buchegger, dem Programmierer, gesprochen.

von Georg Fuchs

Spiele, die für Retro-Plattformen geschrieben werden, können mehr Zeit in Anspruch nehmen als aktuelle Konsolentitel, die mit astronomischen Budgets von riesigen Teams entwickelt werden. Bei 8-Bit-Spielen war meist beides überschaubar. Outrage war ursprünglich das Werk eines einzelnen Programmierers. Dass es 30 Jahre dauern würde, bis das Spiel seine offizielle Veröffentlichung erleben würde, hätte dieser wohl nicht gedacht. Doch gut Ding braucht Weile. Im Dezember 2020 war es schließlich soweit.

Eine lange Vorgeschichte

Wir schreiben das Jahr 1988: Noch ist die Heimcomputerszene fest in C64-Händen, die 16-Bitter sind teuer und die Softwarehäuser versorgen die 8-Bitter noch mit unzähligen guten Spielen. In Österreich gründen die Schüler Arnold Blüml und Hannes Sommer die Gruppe Cosmos Designs, im selben Jahr stoßen Karl Sommer und Bernd Buchegger dazu. Die 15- und 16-Jährigen konzentrieren sich zuerst auf Demos, in denen sie ihre Fähigkeiten als C64-Coder eindrucksvoll unter Beweis stellen. Ab 1989 verlegt sich die Gruppe immer stärker auf die Programmierung von Spielen. Über 20 Titel wurden in den folgenden Jahren veröffentlicht, die meisten auf Heft-Disketten bei Game On, der Magic Disk 64 und beim 64’er-Magazin. Zu den bekanntesten Cosmos-Spielen zählen die Fred’s-Back-Reihe, Super Nibbly und Cosmox. All diese Spiele fielen in eine Zeit, in der der Commodore 64 immer stärker von einer neuen Generation von 16-Bit-Computern und -Konsolen an den Rand gedrängt wurde.

1990 entstand zum ersten Mal ein Konzept für das Spiel Outrage. Hannes Sommer steuerte Tipps bei, das Spiel schrieb Bernd Buchegger (alias Panther) aber alleine. Outrage war ein Jump’n Shooter, auch bekannt als Run and Gun, ein damals äußerst populäres Genre. Da das Internat, das Bernd damals besuchte, keine privaten Computer erlaubte, konnte er nur an den Wochenende coden. So dauerte es zwei Jahre, bis sich das Spiel fertig anfühlte. Nun galt es, einen Publisher zu finden. Zufällig erschien zu dieser Zeit im 64’er-Magazin ein Aufruf zu einem Talentwettbewerb der deutschen Firma boeder, die Büroartikel, Computerzubehör und Software vertrieb. Boeder war in diesen Tagen auch ein sehr bekannter Hersteller von Disketten und jedem Heimcomputer-User ein Begriff. Den drei am besten bewerteten Beiträgen wurde eine kommerzielle Veröffentlichung ihres Spiels in Aussicht gestellt, dazu eine Woche in Südfrankreich inklusive Besichtigung eines Werks, in dem boeder-Disketten hergestellt wurden.

Nach einigen Monaten wurden die Ergebnisse des Wettbewerbs im 64’er-Magazin bekannt gegeben. Outrage war einer der drei Siegertitel, bei den anderen beiden Spielen handelte es sich um Cosmox von Hannes Sommer und Genloc von X-Ample Architectures – letzteres übrigens wie Outrage ein Jump’n’Shoot-Spiel mit Hawkeye-Anleihen. Endlich Anerkennung durch Familie und Freunde, endlich eine Bestätigung, dass all die am Heimcomputer verbrachte Zeit nicht verschwendet war…

In Ausgabe 07/93 des 64’er-Magazins wurden die Siegertitel vorgestellt, darunter Outrage.

Doch boeder ließ drei Monate nichts mehr von sich hören. Dann endlich ein Brief – mit einer alarmierenden Nachricht: Aufgrund einer Umstrukturierung sei man derzeit nicht in der Lage, sich um die Veröffentlichung des Spiels zu kümmern. Also hieß es weiter warten. Nach weiteren sechs Monaten folgte schließlich der endgültige Todesstoß für die Veröffentlichung. Boeder bedauerte in einem Brief, die Ausrichtung des Unternehmens geändert zu haben und keine C64-Titel mehr zu veröffentlichen. Statt eines veröffentlichten Spiels und einer Woche in Frankreich bot boeder Bernd an, ein Produkt aus dem Firmenkatalog auszuwählen. Das war ein schwerer Schlag, Bernd fühlte sich betrogen und schrieb eine wütende Antwort, außerdem bestellte er den gesamten Katalog. Boeder ließ danach nie wieder von sich hören.

Die Macher der anderen Gewinnertitel konnten ihre Spiele unters Volk bringen: Cosmox erschien beim CP-Verlag (Game On 08/1994), Genloc wurde schließlich via Magna Media (64’er 10/1994) veröffentlicht. Die Geschichte von Outrage endete hier jedoch vorerst. Die C64-Szene war im Niedergang, Bernd Buchegger begann ein Informatikstudium. Die Mitglieder von Cosmos Designs blieben in losem Kontakt, die Diskettenbox mit den Outrage-Daten sammelte allerdings fortan nur noch Staub statt Code. Die Jahre vergingen, bis um die Jahrtausendwende das Heimcomputer-Revival einsetze. 2002 waren die Arbeiten an der Cosmos-Designs-Webseite abgeschlossen, auf der auch Outrage vertreten sein sollte. Also wurde damit begonnen, die Originaldisketten in .d64-Images umzuwandeln. Das war der erste Schritt zur Veröffentlichung des Spiels seit der Absage von boeder.

Zu Beginn des Spiels muss man lernen, die Plattformen zu meistern.
Fallen lauern überall.

2005 kontaktierte Protovision Bernd und bot an, sich der Sache anzunehmen. Schnell wurde ein Vertrag abgeschlossen. Einige Fehler, die beim Testen auftauchten, wurden korrigiert. Es stellte sich aber bald heraus, dass eine gründliche Überarbeitung viel mehr Zeit benötigen würde, als dem Team zur Verfügung stand. So vergingen weitere fünf Jahre, in denen das Spiel seiner Veröffentlichung keinen Schritt näher kam.

2010 wurde dann durch David Simmons (Jazzcat) eine Vereinbarung über eine Veröffentlichung via Psytronik vermittelt. Doch weitere acht Jahre vergingen, in denen lediglich ein tolles Bild für den Loader entstand, der so auch in der endgültigen Version erhalten geblieben ist. 2018 wurden schließlich weitere Coder eingebunden, darunter Sidney Arbouw, der sich schnell einarbeitete und dem Spiel den letzten Schliff geben konnte. Protovision und Psytronik sorgten schließlich für eine angemessene Veröffentlichung in der gewohnten Qualität.

Wie spielt sich Outrage?

Hat sich dieser Aufwand gelohnt, ist Outrage überhaupt noch interessant genug für verwöhnte Retrospieler? Schließlich wurden C64-Fans in den letzten Jahren mit vielen guten Veröffentlichungen für ihre Treue zur Plattform belohnt. Die Antwort vorweg: Ja, Outrage ist ein tolles Spiel, allerdings nicht für jeden. Denn durch den hohen Schwierigkeitsgrad, der bereits dem Autor der Vorstellung der Wettbewerbssieger im 64’er-Magazin Ende 1993 aufgefallen war, richtet es sich vor allem an geübte Action-Spieler mit schnellen Reflexen.

Manchmal kann man sich zwischen zwei Wegen entscheiden.
Outrage ist nicht einfach, dafür aber technisch perfekt umgesetzt.

Outrage erinnert, wie bereits kurz erwähnt, an das C64-Spiel Hawkeye von Thalamus, das 1988 erschien und nicht nur dank imposanter Grafik und Musik mit Lob überhäuft wurde. Outrage ist noch eine Spur schöner. Das Spiel kann mit sehr guten Animationen, meisterhaft gepixelten Hintergrundgrafiken und einem stimmungsvollen Soundtrack aufwarten. Die Titelmusik stammt von Karl Sommer von Cosmos Designs. Nun gibt es abweichend vom ursprünglichen Spiel zusätzlich in jedem Level eine eigene In-Game-Musik von Roy Widding (Rotteroy). Die ursprüngliche In-Game-Musik von Karl Sommer ist aber weiterhin vorhanden und dient nun der musikalischen Untermalung des Handbuchs, das nicht nur in gedruckter Form vorliegt, sondern auch am Bildschirm studiert werden kann.

Das Spiel besteht aus fünf großen Levels mit imposanten Endbossen, von denen für den Anfänger schon der erste schwer zu knacken ist. Das Spielgeschehen ist schnell, aber man wird nicht durch die Levels getrieben, sondern kann beim Durchlaufen der Welten (immer von links nach rechts) auch verweilen, um den besten Weg durch zahlreiche Hindernisse und Gegner zu finden und sich den Weg freizuschießen. Dazu kommt ein taktisches Element: Um Munition für die stärkeren Waffen zu erhalten, den Energiebalken aufzufüllen und andere Extras zu kaufen, müssen möglichst viele Münzen eingesammelt werden, die beim Abschießen von Gegnern und auch anderen Hindernissen auftauchen (und schnell wieder verschwinden). Läuft man zurück nach links, tauchen Gegner erneut auf und man kann mehr Geld einsammeln. Allerdings geht man dabei nicht nur das Risiko ein, durch „Feindberührung“ Energie oder gar ein Leben zu verlieren, sondern läuft auch Gefahr, ohne Spritekollision zu viel Energie abzubauen, da sich der Energiepegel mit der Zeit automatisch verringert. Das erschwert die Aufgabe gewaltig, da es dadurch nicht möglich ist, an einfacheren Stellen beliebig viele Münzen zu sammeln.

Der erste Levelboss kostete mich Nerven… und sämtliche Smartbombs.

Eine elegante Sprung-Schuss-Kombi, doch der Energiebalken ist fast leer.

Leben stehen bei Spielbeginn übrigens fünf zur Verfügung. Das gibt schon einen Hinweis darauf, dass es sich bei Outrage um ein Spiel mit hohem Schwierigkeitsgrad handelt. Dabei gibt es – wie erwähnt – einen Energiebalken, es endet also nicht jeder Fehler mit dem Verlust eines Lebens. Es gibt aber auch Möglichkeiten, ungeachtet des Energiepegels sofort zu sterben – etwa, wenn man beim Springen in einen Abgrund stürzt.

Gameplay mit taktischen Elementen

Anders als bei vergleichbaren Spielen müssen stärkere Extrawaffen nicht eingesammelt werden, sondern stehen von Anfang an zur Verfügung. Es gibt vier verschiedene Baller-Waffen, die immer verfügbar sind und über die F-Tasten gewählt werden können. Doch nur für die kleinste, schwächste Waffe steht unbegrenzt Munition zur Verfügung, für die anderen können Münzen gegen Magazine getauscht werden. Mit stärkeren Waffen müssen bei Gegnern weniger Treffer gelandet werden, ein Schuss aus der Standardwaffe reicht bei diesem Spiel nie aus. Dafür kostet die Munition mit zunehmender Stärke der Waffe mehr Geld und die Schüsse sind schnell verbraucht. Wer sie gegen schwache Gegner einsetzt, wird bei den riesigen und eindrucksvollen Levelbossen vermutlich die Extra-Feuerkraft vermissen. Und wer gierig jede Münze einsammeln will, wird bestraft, denn bei Outrage muss man ständig jedes Detail im Auge behalten, und ständig tauchen neue Gegner auf.

Im Shop werden die Münzen gegen Munition und Upgrades getauscht. Wer schlau investiert, kommt weiter.
Outrage bietet Gameplay, Grafik und Musik auf höchstem Niveau, erfordert aber Geduld und Präzision.

Zu Beginn ist eine (per Leertaste aktivierbare) Smartbomb im Gepäck, später können in den hin und wieder auftauchenden Shops weitere gekauft werden. Unser Held kann bis zu drei Stück mit sich führen. Solange die Lage nicht völlig aussichtslos ist, empfiehlt es sich, die Smartbomben für den Levelboss aufzubewahren, denn für Gegner, die man auf diese Weise ins Jenseits befördert, gibt es keine Münzen. In den Shops kann auch die Gesundheit aufgefüllt werden und es gibt ein Waffen-Upgrade namens RapidFire zu erwerben, das die Schussfrequenz verdoppelt und die Aufgabe dadurch deutlich vereinfacht. Allerdings muss diese nützliche Erweiterung in jedem Level neu erworben werden. Wer sonst schon alles hat, kann – bei gut gefüllter Geldbörse – auch Extraleben kaufen.

Die Hindernisse in den grafisch hervorragend in Szene gesetzten Levels sind zahlreich und bunt gemischt: Rohre, aus denen Flammen austreten sind ebenso tödlich wie Steine, die von der Decke fallen. Feuerbälle, Drachenköpfe, Steinkugeln und Fantasiewesen kommen in unterschiedlichen Bewegungsmustern auf den Helden zu, der äußerlich an einen gewissen John Rambo erinnert, und lassen den Energiebalken schnell ein Stück schrumpfen. Die fünf Levels haben nicht nur verschiedene Gegner, sondern auch alle ihre Besonderheiten, die verhindern, dass der Ablauf monoton wird.

Für Anfänger ist selbst die Fortbewegung ohne Gegner kein Zuckerschlecken. Überall lauern Fallen, schwierige Sprünge und Formationen von Gegnern, die nur bei fehlerfreier Joystickakrobatik rechtzeitig aus dem Weg geräumt werden können. Schon für Level 1 habe ich viele Anläufe gebraucht, in Level 2 war es vor allem der Endboss, der mir alles abverlangt hat. In Level 3 war für mich Schluss, doch mit Geduld und Übung lässt sich das Spiel schlagen. Dass dies ohne Cheats zu schaffen ist, beweist ein Spieler in einem Video auf YouTube.

Stimmungsvolle Hintergründe…

…und fiese Gegner!

Outrage kaufen

Das Modul mit attraktiver Verpackung und Handbuch gibt es bei Protovision (40 Euro), natürlich kann auch eine rein digitale Version (4,99 Euro) erworben werden. Gegen Aufpreis kann auch eine Diskette bezogen werden, ebenso ein DIN-A3-Poster und eine Audio-CD mit dem Soundtrack. Die Disketten- und Modul-Images zum Spielen per Emulator sind in jedem Fall inkludiert, sind bei Protovision aber auch als „Standalone“-Artikel zu haben. Psytronik vertreibt die reine Disketten-Version mit unterschiedlichem Artwork, die ab ca. 9 Euro zu haben ist.

Wieder einen Levelboss erreicht, aber nur noch ein Leben. Übung macht den Meister.
In der Highscore-Tabelle ist noch viel Luft nach oben!

Es ist kein Zufall, dass Outrage in allen C64-Jahresbestenlisten vertreten war und bei sämtlichen C64-Game-of-the-Year-2020-Abstimmungen auf den vorderen Plätzen landete. Wer eine Herausforderung sucht und actionlastige Spiele mag, in denen nicht nur blind herumgeballert wird, sollte sich Outrage nicht entgehen lassen.

Links zum Spiel, weitere Informationen

1. Outrage bei Protovision kaufen (digital oder Modul, optional mit zusätzlicher Disk):

2. Outrage bei Psytronik kaufen (Disk)

3. Die offizielle Webseite von Outrage

4. Webseite von Cosmos Designs

„Wie eine Zeitmaschine“

Interview mit Outrage-Programmierer Bernd Buchegger

Der Mann hinter Outrage: Bernd Buchegger aka Panther, geboren 1973, stammt aus der Weststeiermark. Als Schüler in Graz wurde er Mitglied der Gruppe Cosmos Designs, wo er als Grafiker und Programmierer aktiv war. Er arbeitete an zahlreichen Demos mit und war auch am Spiel Lions of the Universe beteiligt. Heute lebt er als Geschäftsführer des IT-Unternehmens trinitec in Klagenfurt.

Lotek64: 30 Jahre Entwicklungszeit, das ist auch für ein C64-Spiel ein rekordverdächtiger Wert. War es das wirklich wert?

Bernd: Absolut. Ich bin begeistert von den vielen positiven Reaktionen auf Outrage. Die Reviews sind eine Bestätigung, dass wir das alles richtig gemacht haben. Die viele Arbeit hat sich am Ende also gelohnt. Ich hatte keine monetären Motive, mir war wichtig, dass das Spiel publiziert wird.

Lotek64: 1993 war das Spiel bereits freigegeben, doch der Verleger wollte nichts mehr von 8-Bit-Spielen wissen. Du hast danach immer wieder versucht, eine Möglichkeit zu finden, das Programm doch noch zu veröffentlichen, was jahrelang lediglich zu weiteren Leerläufen geführt hat. Die erste Frage, die sich viele stellen: Warum hast du das Programm nicht einfach so, wie es war, selbst veröffentlicht?

Bernd: Ja, weil wir dann keine 30 Jahre geschafft hätten! Nein, im Ernst, ich hatte damals mit viel Einsatz rechtzeitig ein erstes Release für den Wettbewerb im 64’er-Magazin fertig gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Levels und alle wesentlichen Funktionen von Outrage fertiggestellt, es gab aber auch noch ein paar offene Baustellen. Doch dann kam diese fürchterliche Absage von boeder, die mich emotional stark zurückgeworfen hat. Von meiner Familie gab es kaum Unterstützung in der Sache, und ich war zu jung und unerfahren, um das alles selbst in die Hand zu nehmen. Da boeder den Vertrieb für den Commodore 64 eingestellt hatte, hatte ich wenig Hoffnung, dass es mir bei anderen Firmen besser ergehen würde. Ich habe zwar noch einen Anlauf beim CP-Verlag versucht, aber auch hier keine Reaktion mehr erhalten. Damit wanderte Outrage vorerst in die Disketten-Box.

Lotek64: Eine Frage, die sich natürlich aufdrängt: Was hat sich gegenüber der ursprünglichen Fassung geändert?

Bernd: Eine ganze Menge. In der ursprünglichen Version hat es nur einen einzigen Soundtrack für alle Levels und keine Soundeffekte gegeben. Dies wurde alles neu gemacht und jedes Level bekam einen eigenen Track mitsamt Sound-FX von Roy Widding. Sidney Arbouw, David Simmons und Zack Thompson bügelten zahlreiche Bugs aus, die sich eingeschlichen hatten. Dann kam das fantastische Artwork von Lobo Spitouf und Trevor Storey für das Game Manual und die Collector Edition Box dazu. Das Ingame Manual mit der ganzen Outrage Hintergrundstory wurde inhaltlich von mir und Arnold Blüml ausgearbeitet und mit den PETSCII Grafiken von Cal Skuthorpe ergänzt. Ein Title-Pic von Steve Day (STE’86) sowie ein neuer Loader von Lasse Öörni wurden eingebaut. Es wurde also vieles rund um das Spiel massiv erweitert.

Das eigentliche Level Design, die Endbosse sowie das Monster Placement entsprechen weitgehend der ursprünglichen Version. Das haben wir vielfach diskutiert und getestet und am Ende wurde die Entscheidung getroffen, den Spielstil von 1990 zu erhalten. Die 90er orientierten sich am Hardcore und weniger am Casual Gamer.

Lotek64: Stichwort Casual Gamer: Outrage ist eine echte Herausforderung, die meisten werden schon zu Beginn viele Leben verlieren und nicht ohne Mühe Fortschritte erzielen. Warum ist der Einstieg so hart?

Bernd: Der Schwierigkeitsgrad von Outrage nimmt bewusst einen im Vergleich zu Casual-Spielen atypischen Verlauf. So beinhaltet Level 1 eine Menge fieser Stolpersteine, weil es gleichzeitig ein Trainingslevel ist. Sobald man hier das Springen zwischen den Plattformen gemeistert und das Verhalten der Monster und Endbosse erlernt hat, ist Outrage gut zu beherrschen. Level 1 ist folglich relativ hart, danach wird es abgemildert, um sich dann gegen Ende wieder zu steigern. Bereits bekannte Monstertypen verändern ihre Bewegungsmuster, damit es abwechslungsreich bleibt. Outrage treibt ständig an, erfordert gleichzeitig aber Zurückhaltung an den richtigen Stellen. Wer Spieletipps braucht, kann sich gerne an mich wenden!

Lotek64: In der Anleitung beschreibst du die Entstehungsgeschichte von Outrage. Du hast vorher Demos gemacht, aber, wenn ich es richtig verstanden habe, noch kein vollständiges Spiel. Dabei ist Outrage technisch sehr anspruchsvoll und auch Gameplay und Leveldesign wirken ausgereifter, als man es von vielen aufwändigen kommerziellen Titeln aus der Glanzzeit des C64 kennt. Hat es dich nie gereizt, auf anderen Plattformen Spiele zu entwickeln, oder war die Enttäuschung damals zu demotivierend?

Bernd: Das ist korrekt – Outrage war mein Erstlingswerk und es stecken eine Menge Herzblut, viel Hirnschmalz und endlose durchgearbeitete Wochenenden darin. Ich habe später damit begonnen, kleine Spiele für den PC zu entwickeln – das war noch in meiner Schulzeit. Diese wurden dann rasch der Renner im Informatik-Unterricht. Im Informatik-Studium wurde meine Aufmerksamkeit dann allerdings rasch auf andere Themen gelenkt und Game-Development trat eher in den Hintergrund. Der Reiz, Spiele zu entwickeln, ist nie ganz verflogen – neben Familie und Firma bleibt aber leider kaum Platz dafür. Erleben zu dürfen, wie Outrage nach all den vielen Jahren tatsächlich Realität wurde, ist für mich ein persönliches Großereignis, das unglaublich viel Freude macht.

Lotek64: Hast du in den letzten Jahren andere neu erschienene C64-Spiele gespielt? Wenn ja, wie beurteilst du den kleinen, aber lebendigen Markt?

Bernd: Mangels Zeit habe ich selbst leider viel zu wenig aktiv spielen können. Aber ich habe viele Videos und Webseiten angeschaut und mich in den diversen C64-Facebook-Gruppen bewegt. Die Freude und Energie der Retro-Szene ist für mich persönlich wie eine Zeitmaschine, die mich jedes Mal in diese aufregende Zeit von damals zurückführt. Es ist einfach unfassbar, wie viel kreative Energie da noch immer in der Szene steckt und wie liebevoll alle mit der alten Brotkiste umgehen. Die Szene wächst ständig weiter – das zeigen die letzten Zahlen aus der CSDb.

Lotek64: Welche technischen Leistungen auf dem C64 haben dich damals besonders fasziniert und inspiriert?

Bernd: Ich war fasziniert, als ich meinen ersten Grafik-Scroller gesehen habe und musste sofort den Code analysieren, um zu verstehen, wie das funktioniert. Denn eigentlich durfte das ja gar nicht möglich sein. Daraus wurde rasch mein erster eigener Fullscreen-Grafik-Scroller und später ein AFLI-Scroller. Genial, was man aus dem C64 mit ein bisschen Assembler-Code alles herausholen konnte! Im Grunde war es diese Reduktion, deren Grenzen man unbedingt ausreizen und verschieben wollte. Ich denke, das macht für viele heute noch den Charme des C64 aus. Auch die ersten Vektor-Animationen waren für mich erstaunliche Arbeiten, die zwar aufwendig, aber sehr clever gelöst waren.

Lotek64: Springen wir zurück an den Anfang: Wann hast du deinen C64 bekommen und wie hast du das Programmieren erlernt? Gab es in Graz, wo du damals gelebt hast, eine größere Szene, konnte man sich mit anderen austauschen? Und gab es in deinem Umfeld noch andere Gruppen, die Demos oder Spiele machten?

Bernd: Mein Einstieg war ein ZX81, dann ein VC20 und später zur Firmung endlich ein Commodore 128, der dann bald nur mehr im 64er-Modus gelaufen ist. Nach anfänglichen Basic-Experimenten bin ich dann in die Assembler-Programmierung eingestiegen. Was für ein Performance-Unterschied – ab da gab es keinen Weg mehr zurück.

Gelernt habe ich das Programmieren in erster Linie autodidaktisch zusammen mit Freunden, die mit mir auf den Assembler-Zug aufgesprungen sind. Ich war zu dieser Zeit in Graz im Internat der HIB Liebenau. Dort waren wir den frisch angelernten Informatik-Lehrkräften längst voraus, wobei ich das Glück hatte, eine exzellente Informatik-Lehrerin zu haben.

In Graz gab es damals bereits eine lebendige 64er-Szene. In einer Spielautomatenhalle konnte ich bei einem „R-Type“-Automaten meinen ersten Szenekontakt zur damals sehr umtriebigen Softkiller Crew (TSK) herstellen, deren Nickname ich beim Eintragen in der Highscore-Liste erkannte. Bald ging es zu einer lokalen Copy-Party und es wurde die erste Gruppe („Crystal“) gegründet. Innerhalb der Szene vernetzte man sich sehr schnell und es folgten größere Szene-Treffs in Österreich und anderen Ländern.

Arnold und Hannes von Cosmos Designs kennenzulernen, war dabei ein echter Gamechanger. Denn die Qualität und Kreativität, mit der hier ständig neues Material produziert wurde, war für mich als jungen Menschen höchst inspirierend und motivierend. Ohne diesen Hintergrund hätte ich vielleicht das Projekt Outrage nicht in Angriff genommen und ohne den späteren Support von Arnold vielleicht auch nie zu Ende gebracht. 2020 sind wir im Vorfeld zum Release von Outrage wieder alle drei zusammengekommen. Das war ein sehr bewegender Moment, der sich übrigens als Polaroid in der Outrage Collector Edition Box wiederfindet.

Lotek64: Heißt das, dass weitere Projekte denkbar sind?

Bernd: Ich selbst habe nichts in der Schublade. Neue Projekte würden wohl an der mangelnden Zeit zwischen Job und Familie scheitern. Aber es gibt andere Cosmos-Designs-Schubladen, in denen noch vor langer Zeit begonnene Projekte darauf warten, wiederentdeckt und fertiggestellt zu werden. Vielleicht gibt es da ja noch die eine oder andere Überraschung!

Lotek64: Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Georg Fuchs.