Stierkampf war schon in den 80er-Jahren eine höchst umstrittene Angelegenheit. Tradition oder Tierschutz, was wiegt schwerer? In unserem Fall die Tradition, da in der Pixelarena kein Stier zu Schaden kommt. Nicht einmal virtuell.
Raging Beast, in Frankreich und Australien unter dem Titel „Olé“ verkauft, ist die erste und einzige Stierkampfsimulation für den Commodore 64, möglicherweise überhaupt die einzige, die im klassischen Zeitalter der Computerspiele erschienen ist.
Auch wenn deshalb kein Vergleich mit ähnlichen Spielen möglich ist: Raging Beast hat nicht nur einen ungewöhnlichen Inhalt, es ist auch hervorragend umgesetzt. Ziel des Spiels ist es, als Torero einen Stier – die Anleitung nennt ihn Alfonso – zu bezwingen, was nicht besonders abwechslungsreich ist: Der kleine Matador läuft durch die Arena und reizt den Stier mit einem roten Tuch. Kurz bevor ihn der Stier berührt, zieht der Matador das Tuch zur Seite und lässt das Tier ins Leere laufen. Das führt jedes Mal zu Begeisterungsstürmen beim Publikum. Wenn man das oft genug wiederholt hat, wird aus den Publikumsrängen eine Schlinge in die Arena geworfen. Diese hebt man auf und setzt sie dem Stier auf die Hörner. Gelingt das, ist der Kampf gewonnen. Kommt man in Bedrängnis, kann man versuchen, dem Tier durch Weglaufen auszuweichen oder sich durch einen Sprung zu retten.
Der Stier kann in diesem Spiel nicht verletzt werden, ganz im Gegensatz zum Matador. Dieser wird beim kleinesten Fehler auf die Hörner genommen und durch die Luft gewirbelt. Steht er nicht schnell genug auf, setzt sich der Stier auf seinen Körper, bis das Pixelmännchen tief im Sand versunken ist. Da können nur noch die Sanitäter helfen. Während die beiden den Torero auf einer Bahre abtransportieren, applaudiert der Bulle im Hintergrund und genießt seinen Triumph. Manchmal landet man auf Alfonsos Rücken, dann gibt es eine kleine Rodeo-Einlage. Dabei kann man viele Bonuspunkte sammeln, aber auch im Krankenhaus landen.
Neben solchen kleinen Details gibt es noch Plakate zu sehen, auf denen das Ergebnis des Kampfes verkündet wird. Ein Flugzeug mit einem Banner fliegt regelmäßig über die Arena und zeigt die Punkte an, die man sich erarbeitet hat. Das alles ist für ein Spiel des Jahres 1985 beachtenswert, wenn auch nicht umwerfend. Die Grafik ist insgesamt schlicht, die Animation allerdings ansprechend und detailreich. Ein Musikstück zur Untermalung gibt es auch. Dieses gehört nicht in die oberste Liga des SID-Katalogs, ist aber auch nicht aufdringlich oder störend.
Die Beherrschung des Matadors bedarf einiger Übung, da die Steuerung sehr träge reagiert. Das scheint aber beabsichtigt zu sein, da das Spiel sonst zu schnell ablaufen würde. Mit dem Joystick (Port 2) wird der Matador frei durch die Arena beweget. Wird der Feuerknopf gedrückt, werden folgende Aktionen ausgeführt: Vorwärts = springen / Zurück = Tuch fallenlassen / Links = Stier mit dem Tuch reizen / Rechts = Tuch zurückziehen. Das alles lässt sich auch mit der Tastatur bewerkstelligen.
Ich habe Raging Beast 1986 in einem Grazer Kaufhaus gesehen. Es war zu Vorführzwecken geladen und mehrere Jugendliche bestaunten die für die damalige Zeit aufregende Grafik. Danach habe ich das Spiel vergessen und erst 30 Jahre später wiederentdeckt. Ein Klassiker ist der Titel nie geworden, mit einigem Recht: Es gibt sehr viel bessere und vor allem abwechslungsreichere Spiele aus dieser Zeit. Aber eine zweite Chance hat dieses originelle und außergewöhnliche Spiel sicher verdient.