Diesmal nehmen wir uns zwei Titel aus der frühen C64-Ära vor, die sich beide mit dem Gesetzesvollzug in den USA beschäftigen. Klingt trocken, ist es – teilweise – auch.
Crime nd Punishment entlehnt senen bedeutungsschweren Titel dem 1866 erschienenen Roman von Fjodor Dostojewski, der in älteren Übersetzungen „Schuld und Sühne“, neuerdings aber, wie im Englischen, „Verbrechen und Strafe“ heißt. Mit dem ursprünglich in zwölf Fortsetzungen veröffentlichten ersten Roman des russischen Schriftstellers hat das Spiel aber nichts zu tun.
Vielmehr handelt es sich um die Simulation von Strafprozessen, bei denen – nach US-Recht – unterschiedlichste Vergehen bzw. Verbrechen verhandelt werden.
Crime and Punishment setzt ein Diskettenlaufwerk voraus, obwohl die Daten mit etwas Mühe wohl auch ohne Nachladen in den Speicher des C64 gepasst hätten. Außer der C64-Version gibt es noch eine Fassung für den Apple II, beide befanden sich auf derselben Diskette. Die Firma Imagic veröffentlichte für den C64 nur einen einzigen weiteren Titel, das spartanische, aber durchaus unterhaltsame Tournament Tennis, europäischen Spielern als Match Point bekannt. Weitere Spiele von Imagic erschienen für Plattformen wie Atari 2600 und Intellivision.
Die Gerichtssimulation wurde vermutlich nur in Nordamerika verkauft, da sie ohne Grundkenntnisse des US-amerikanischen Rechtssystems nicht sinnvoll gespielt werden kann. Diese Grundkenntnisse werden allerdings in einer Einleitung, die nach Spielstart aufgerufen werden kann, auf mehreren Textseiten vermittelt. Wer den Text einmal gelesen hat, kann ihn künftig überspringen und sich gleich ins Geschehen stürzen.
Der Reihe nach werden verschiedene Fälle behandelt. Die handelnden Personen, die Straftaten, die Hintergrundinformationen zur verhandelten Tat, alles wird per Zufallsgenerator aus einer Datenbank zusammengesetzt, damit kein Fall exakt einem bereits gespielten gleicht. Die Bandbreite reicht von einer Beleidigung bis zum Mord. Mit den Zifferntasten können nun verschiedene Informationen angerufen werden, von allfälligen Vorstrafen bis zu einem Persönlichkeitsprofil des verurteilten Täters. Zu beachten dabei ist, dass die Angeklagten in Crime and Punishment bereits von einer Jury verurteilt wurden. Ziel des Spiel ist es, aufgrund der vorliegenden Informationen das Strafmaß festzulegen.
Nach genauem Studium des Falls werden noch einmal alle wesentlichen Fakten eingeblendet. Danach gilt es, festzulegen, ob der bzw. die Angeklagte in ein Gefängnis für längere oder kürzere Haftdauer (US-Unterscheidung zwischen „prison“ und „jail“) eingewiesen wird oder die Strafe auf Bewährung ausgesetzt wird. Die Dauer der Haft bzw. der Bewährung wird in Jahren und Monaten eingegeben. Danach erfolgt die Bewertung durch den Computer: Liegt man mit der Strafe im vorgesehenen Rahmen, steigt der „richterliche IQ“, liegt man weit daneben, erhält man nur wenige Punkte.
Der Lautsprecher bleibt währenddessen fast vollkommen stumm, eine Titelmusik oder begleitende Geräusche gibt es nicht, was aber nicht als Manko betrachtet werden muss. Lediglich die Tastatureingaben werden mit einem Piepsen quittiert und nach Abschluss einer Verhandlung ertönt eine Melodie, die man besser weggelassen hätte. Auch grafisch ist sich das Spiel nicht gerade opulent aufgemacht. Es gibt eine überschaubare Zahl von Standbildern, die, je nach Phase des Prozesses, der Reihe nach gezeigt werden. Meistens sieht man einen Richter mit grünem (!) Gesicht. Vielleicht eine versteckte Kritik am US-Justizsystem, oder auch nur die Unfähigkeit, die überschaubare Farbpalette des C64 in den Griff zu kriegen.
Crime and Punishment mag nach einer guten Idee klingen, die lieblose Umsetzung macht das Spiel aber bereits nach wenigen Verhandlungen langweilig. Auch liefert der Zufallsgenerator nicht immer sinnvolle Fälle: Gleich in meiner ersten Verhandlung war eine 61jährige Karatelehrerin eines Diebstahls beschuldigt, die laut Strafregister eine Jugendstrafe für das Hacken fremden Computer auf dem Konto hatte. Bei einem 1984 erschienenen Spiel hätte die Delinquentin dieses Vergehen irgendwann in den 1940er-Jahren begehen müssen, und es ist kaum davon auszugehen, dass das Hacken in dieser Zeit Teil des Jugendstrafrechts war. Fazit: Das Programm folgt einer netten Idee, ist aber nicht ohne Grund unbekannt geblieben.
Ganz anders sieht es beim zweiten Titel aus. Law of the West ist einer der bekanntesten C64-Oldies und war Mitte der 80er einer der populärsten Titel. In diesem Spiel verkörpert man den Sheriff einer Kleinstadt im Wilden Westen, der auf verschiedene Bewohner trifft und dabei so manchen Konflikt lösen muss – sei es durch Überzeugungskraft im Gespräch oder auch mit dem Colt, den er immer griffbereit am Gürtel seiner Jeans trägt.
Das Spiel besteht aus einer Reihe von Dialogen, die dem Spieler immer vier Dialogzeilen zur Auswahl lassen. Je nachdem, wie die Gespräche verlaufen, kann der Sheriff die Lage beruhigen oder einen Schusswechsel provozieren. So kann ein Gespräch damit enden, dass das Gegenüber den Schauplatz verlässt oder aber den Revolver zieht – manchmal nach einer Pause, manchmal auch überraschend – dann bleibt nur der schnelle Griff zur Waffe (gespielt wird mit dem Joystick), der Schuss sollte sein Ziel nicht verfehlen. Manchmal hilft es auch, zuerst zur Waffe zu greifen, so mancher Übeltäter verzichtet dann auf ein Duell und ergibt sich. Es kommt sogar vor, dass sich ein schießwütiger Gegner zuerst davonstiehlt, dann aber von einem Hinterhalt aus auf den Sheriff schießt. Höchste Konzentration ist bei diesen Actioneinlagen also gefragt. Oft verlaufen die Gespräche auch weniger verhängnisvoll, etwa wenn der Sheriff mit der Lehrerin flirtet oder mit seinem Deputy eine Einsatzbesprechung abhält.
Grafisch wird bei Law of the West sehr gute Kost geboten. Zwar ist die Anzahl der Hintergrundbilder und auch der Charaktere, denen man im Spiel begegnet, überschaubar, aber die Bilder sind liebevoll gezeichnet und für ein Spiel aus dem Jahr 1985 sensationell – Pixelmeisterwerke wie die Adventures von Magnetic Scrolls oder Defender of the Crown erschienen erst später. Weniger spektakulär ist die musikalische Begleitung von Ed Bogas, der eine Reihe von Melodien aufbietet, die zu jedem Gespräch die (vermeintlich!) passende Stimmung erzeugen. Immerhin ist es eines der ersten C64-Spiele, das einen richtigen Soundtrack umfasst, nicht nur ein einzelnes Musikstück.
Zwar hat man in Law of the West relativ schnell alle Situationen durchgespielt, doch macht es nach einigen Jahren dennoch wieder Spaß, das Spiel erneut durchzuspielen. Hat man alle Dialoge durchgespielt bzw. ist bei einer Schießerei unterlegen, wird die Performance einer Gesamtbewertung unterzogen. Dabei werden sieben Parameter berücksichtigt: Wahrung der Autorität, Zahl der Verhaftungen, Flirt-Punkte, erschossene Gegner, eigene Schusswunden (nicht jeder Schuss endet tödlich), Zahl der Unschuldigen, die getötet wurden, Zahl der begangenen Verbrechen.
Wer das Spiel ausprobieren möchte, kann auf die großartige Version von Jack Alien/Remember zurückgreifen, die einige kleine Probleme des Originals behebt – etwa das Raster-Flackern zwischen dem Bild und dem Textblock. Auch die Ladezeiten wurden verringert. Law of the West wird zu Recht als C64-Klassiker betrachtet. Wer es nie gespielt hat, könnte sich allerdings an jene Welle von „interaktiven Filmen“ erinnert fühlen, die zehn Jahre später, am Beginn des CD-Rom-Zeitalters, für Langeweile sorgten. Im Jahr 1985 war es aber zweifellos ein innovatives Spiel, in dem auch die launigen Klick-Dialoge vorweggenommen wurden, die später zum Merkmal vieler Lucasart-Adventures wurden.
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